Wednesday, December 18, 2013

Eine Weihnachtsgeschichte – Kapitel Achtzehn…


"Von dem Tode des Lamas", nenne ich den Titel der nächsten Geschichte.

"Du willst mich bestrafen. Oder, Alter?" fragt das Lama.

"Wofür sollte ich Dich denn bestrafen wollen, Lama? Und womit?"

"Dafür, dass ich Dir am Anfang dauernd in die Geschichten gequatscht habe und dauernd unzufrieden war mit allem. Aber erzähl einfach weiter."

"Auf eine Zeit ging das Lama mit dem Bromford in den Nussberg und sie machten miteinander aus, wer einen Nusskern fände, sollte ihn mit dem anderen teilen.

Nun fand das Lama eine große, große Nuss, sagte aber nichts davon und wollte den Kern allein essen. Der Kern aber war so dick, dass es ihn nicht hinunterschlucken konnte und er ihm im Hals steckenblieb, dass ihm angst wurde, es müsste ersticken. Da schrie das Lama:

'Bromford, ich bitte Dich, lauf, was Du kannst, und hol mir Wasser, sonst erstick' ich.'

Der Bromford lief, was er konnte, zum Brunnen und sprach:

'Born, Du sollst mir Wasser geben; das Lama liegt auf dem Nussberg, hat einen großen Nusskern geschluckt und will ersticken.'

Der Brunnen antwortete:

'Lauf erst hin zur Braut und lass Dir rote Seide geben.'

Der Bromford lief zur Braut:

'Braut, Du sollst mir rote Seide geben. Rote Seide will ich dem Brunnen geben, der Brunnen soll mir Wasser geben, das Wasser will ich dem Lama bringen, das liegt auf dem Nussberg, hat einen großen Nusskern verschluckt und will daran ersticken.'

Die Braut antwortete:

'Lauf erst und hol' mir mein Kränzlein, das blieb an einer Weide hängen.'

Da lief der Bromford zur Weide und zog das Kränzlein von dem Ast und brachte es der Braut, und die Braut gab ihm rote Seide dafür, die brachte er dem Brunnen, der gab ihm Wasser dafür."

"Alter?!" unterbricht das Lama.

"Ja, Lama?"

"Beeilung! Das Lama wird noch ersticken! Und überhaupt, was will ein sprechender Brunnen mit roter Seide? Wo bleibt die Realität in Deinen Geschichten, Mann?"

"Da brachte der Bromford das Wasser zum Lama; wie es aber hinkam, war derweil das Lama erstickt und lag da tot und regte sich nicht."

"Siehste! Siehste! Siehste!"

"Da war der Bromford so traurig, dass er laut schrie, und kamen alle Tiere und beklagten das Lama; und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen, das Lama darin zum Grabe zu fahren; und als der Wagen fertig war, spannten sie sich davor, und der Bromford fuhr.

Auf dem Weg aber kam der Fuchs:

'Wo willst Du hin, Bromford?'

'Ich will mein Lama begraben.'

'Darf ich mitfahren?'

'Ja, aber setz Dich hinten auf den Wagen,
Vorn können's meine Pferdchen nicht vertragen.'

Da setzte sich der Fuchs hinten auf, dann der Wolf, der Bär, der Hirsch, der Löwe und alle Tiere in dem Wald.

So ging die Fahrt fort, da kamen sie an einen Bach.

'Wie sollen wir nun hinüber?' sagte der Bromford.

Da lag ein Strohhalm am Bach, der sagte:

'Ich will mich quer drüberlegen, so könnt ihr über mich fahren.'

Wie aber die sechs Mäuse auf die Brücke kamen, rutschte der Strohhalm und fiel ins Wasser, und die sechs Mäuse fielen alle hinein und ertranken.

Da ging die Not von neuem an, und kam eine Kohle, und sagte:

'Ich bin groß genug, ich will mich darüber legen, und ihr sollt über mich fahren.'

Die Kohle legte sich auch an das Wasser, aber sie berührte es unglücklicherweise ein wenig, da zischte sie, verlöschte und war tot.

Wie das ein Stein sah…"

"Echt, Alter? Ein Stein mit Augen?" mault das Lama. "Ich glaube, die Geschichte gefällt mir nicht."

"Wie das ein Stein sah, erbarmte er sich und wollte dem Bromford helfen und legte sich über das Wasser.

Da zog nun der Bromford den Wagen selber; wie es ihn aber drüben hatte und war mit dem toten Lama auf dem Land und wollte die andern, die hinten aufsaßen, auch heranziehen, da waren ihrer zuviel geworden, und der Wagen fiel zurück, und alles fiel miteinander ins Wasser und ertrank.

Da war der Bromford noch allein mit dem toten Lama und grub ihm ein Grab und legte es hinein und machte einen Hügel darüber; auf den setzte er sich und grämte sich so lang, bis er auch starb; und da war alles tot."

"Also, würglich!" meckert das Lama mit vollem Mund. "Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole! Was ist nur aus: 'Und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute…' geworden? Gibt es denn keine glücklichen Enden in Deinen Geschichten?"

Dann fängt es plötzlich an zu keuchen und zu röcheln und läuft rot und blau an um die hervorquellenden Augen.

Ich springe auf und klopfe ihm mit drei kurzen, heftigen Schlägen auf den Rücken.

Das Lama hustet und spuckt etwas rundes und braunes quer durch das Wohnzimmer.

"Ein Nusskern?" frage ich.

Das Lama nickt wortlos.

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