Saturday, October 18, 2014

Diesseits von Marc-Uwe und Kling…


Wie üblich ist selbst das falsch zugeordnete Zitat geklaut:

"Dream A Little Dream Of Me."
Freddy Krueger

"Was wurde aus Ihrem Lama, Bromford?" fragt Doktor Hudson, meine Psychiaterin.

"Er tötete es", sage ich.

"Sie wachen immer noch manchmal auf, nicht wahr?" fragt Doktor Hudson. "Wachen auf im Dunkeln und hören das Lama schreien."

"Ja", flüstere ich.

"Und Sie glauben, wenn Sie den armen Bromford Bibble retten, dann würde all das aufhören. Sie glauben, wenn Bromford Bibble lebt, würden sie nie wieder im Dunkeln aufwachen durch dieses grauenhafte Schreien des Lamas."

"Cock-A-Doodle-Doo!" schreit das Lama.

# # # # # # #

Ich fahre aus dem Schlaf hoch. Leicht verstört schlurfe ich in die Küche, mache einen grünen Tee für mich und eine Schale Heu fürs Lama. Als ich damit ins Wohnzimmer komme, liegt der Paarhufer in einer Hängematte und liest. Ich setze mich in den Sessel.

"Warum hast Du mir eigentlich letzte Woche lauter anonyme Botschaften in den Briefkasten geworfen?" frage ich nach einer Weile.

"Was?" fragt das Lama.

"Jemand hat ein Auge auf Dich geworfen!

Jemand wird mit Dir Kontakt aufnehmen!

Jemand liebt Dich!"

lese ich die hand- vielleicht aber auch mundgeschriebenen gelben Notizzettel vor.

"Was?" fragt das Lama wieder.

"Sag mal, warum hast Du Dich in Deinen Nachrichten eigentlich immer nur als 'Jemand' bezeichnet?"

"Man kann nicht vorsichtig genug sein", sagt das Lama, ohne von seinem Buch aufzublicken.

" 'Jemand' hat mir Angst gemacht", sage ich.

"Wer?" fragt das Lama.

Ich gähne, winke ab und nehme einen großen Schluck Tee.

"Was liest Du denn da?"

"Ach, Fantasy", sagt das Lama.

"Das kommunistische Manifest?" frage ich.

"Nein, nein. Es geht um eine junge Prostituierte, die herausfindet, dass sie zaubern kann. Deswegen kommt sie dann auf so eine spezielle Schule."

"Wie heißt das Buch?"

"Die Wunderhure."

Ich gucke geringschätzig.

"Kuck nicht so geringschätzig", sagt das Lama. "Ich muss für meine Arbeit immer schon so anstrengende Sachen lesen, darum schmökere ich in meiner Freizeit gerne in leichterer Kost."

"Soso."


"Na gut! Ich steh halt einfach auf so Fantasy-Scheiß", ruft das Lama trotzig. "Im Übrigen solltest Du mal schön still sein mit Deinem Star-Wars-Fimmel."

"Also bitte!" sage ich. "Star Wars ist doch kein Fantasy-Scheiß. Star Wars ist Science-Fiction-Scheiß! Die Überlegenheit offenbart sich schon in der Genrebezeichnung! Science Fiction…"

"… -Scheiß."

"Ich kann Dir auch sagen, was mich an dem Fantasy-Kram nervt. Es ist immer das Gleiche", sage ich. "Immer diese total unmotivierten, unlogischen Rettungen in letzter Minute. Da stecken die Helden von Feinden umzingelt in einer aussichtslosen Klemme, aber dann kommt zum Glück urplötzlich von irgendwoher die Kavallerie oder irgendwelche Riesenadler oder Dumbledore oder schon wieder irgendwelche Riesenadler… Da könnte genauso gut aus heiterem Himmel ein Blitz herunterzucken und den Bösen erschlagen."…²

² Schon Fantasy-Autoren der ersten Welle wie Homer, Aischylos und Euripides benutzten übrigens diesen Trick. In Euripides' Theaterstücken zum Beispiel schwebte dann im entscheidenden Moment urplötzlich eine Gottheit an einer Bühnenmaschinerie heraus und rettete die Situation, was Kritiker der ersten Welle wie Horaz oder Aristoteles dazu brachte, hämisch vom Deus ex Machina, dem Gott aus der Maschine, zu sprechen, und ein Comedian der ersten Welle, Aristophanes, ging sogar so weit, in einem seiner Stücke Euripides durch eine Maschine auftauchen zu lassen, und jetzt behaupte noch mal, ein nach elf Semestern abgebrochenes Philosophie- und Theaterwissenschaftsstudium sei zu überhaupt nichts nütze, Marc-Uwe. (Anm. des BlockBloggisten)

Unbeeindruckt und ohne zu antworten liest das Lama weiter.

"Und wie gefällt Dir die Wunderhure?" frage ich nach einer Weile.

"Der erste Teil war so lala, die ganze Liebesgeschichte mit dem Riesenzwerg Ülf war nicht so meins…"

"Ein Riesenzwerg?"

"Ja", sagt das Lama. "Ein Meter zweiundachtzig ist der groß."

"Irre."

"… aber im zweiten Teil wurde es dann richtig spannend."

"Es gibt einen zweiten Teil?"

"Natürlich. Die Wunderhure wundert sich. Es gibt doch immer einen zweiten Teil. Eigentlich gibt es immer mindestens drei Teile."

"Man kann ja von einem Autoren auch nicht verlangen, dass er sich für jedes Buch neue Figuren ausdenkt", sage ich.

Das Lama nickt.

"Das Einzige, was mich nervt", sagt es, "ist Folgendes: Der Verfasser der Wunderhuren-Chroniken Wenzel R. R. Skowronek hatte die Saga ursprünglich als Trilogie geplant. Nun hat er aber vor einiger Zeit angekündigt, dass es sieben Teile werden sollen."

"Klar", sage ich. "Drei oder sieben…"

"Jetzt lese ich also gerade Teil drei, Die Wunden der Wunderhure – superspannend –, muss aber am Ende des Buches noch Monate auf Teil vier, Die Wunderhure in Wuppertal, warten. Und wann Teil fünf, Der Lude der Wunderhure, Teil sechs, Die Hochzeit der Wunderhure und das Finale, Die sieben Weltwunderhuren, erscheinen, ist völlig unklar. Wenn ich Pech habe, stirbt der Typ, bevor er den siebten Teil vollendet hat, dann stünden wir Fans dumm da. Zu allem Überfluss lenkt sich Wenzel R. R. Skowronek zurzeit auch noch damit ab, zusammen mit Elke Zimmer eine Fortsetzung von deren Bestseller Die Schwester der Nichte der Gattin des Gerbergesellen zu schreiben."

"Es gibt schon für alle sieben Teile Titel?"

"Na klar", sagt das Lama. "Die Filmrechte sind ja auch schon längst für alle sieben Teile verkauft."

"So langsam glaube ich, ich habe mein Schaffen die ganze Zeit dem falschen Genre gewidmet."

"Das fällt Dir erst jetzt auf?" fragt das Lama. "Du solltest lieber BlockBlog-Einträge schreiben über die epische Schlacht zwischen Licht und Schatten, Freiheit und Unterdrückung, Liebe und Hass – ja zwischen Gut und Böse!"

"Und ich Dummerchen dachte immer, das hätte ich getan…" ³

³ Seit Urzeiten ist Fantasy das beliebteste aller Genres. Fantasy-Autoren der zweiten großen Welle wie Johannes, Lukas, Markus und Mel Gibson haben zum Beispiel selbst heute noch fanatische Fans, die ganze Passagen auswendig kennen und sich regelmäßig in mittelalterlichen Gebäuden zu Conventions treffen, bei denen sie sich gegenseitig ihre Lieblingsstellen vorlesen und absurde Rituale aus den Büchern nachspielen. Totale Nerds. (Anm. des Lamas)



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