Tuesday, December 24, 2013

Eine Weihnachtsgeschichte – Kapitel Vierundzwanzig…


"Kommt jetzt das Ende?" fragt das Lama.

"Vielleicht", sage ich.

"Streiten wir uns jetzt wieder darum, wie solche Geschichten enden sollten?" fragt das Lama.

"Wir werden sehen. Wir werden sehen", sage ich und schlage noch einmal das Märchenbuch auf.

"Sieben Tage später, als das Lama mit dem König und allen Hofleuten sich zur Tafel gesetzt hatte und von seinem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch platsch, etwas die Marmortreppe heraufgekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an die Tür und rief: …"

"IHHHHHH! Der Ringgeist!" kreischt das Lama. "Und sieben Tage später! Ihr werdet alle sterben!"

"Wie oft eigentlich noch?" frage ich. "Das hier ist nicht so eine Art Geschichte! Und das mit den sieben Tagen später war erzählerische Freiheit. Eigentlich passiert das hier schon am andern Tage. Also noch mal:

… und rief:

'Lama, jüngstes, mach mir auf.'

Es lief und wollte sehen, wer draußen wäre, als es aber aufmachte, so saß der Bromford davor. Da warf es die Tür hastig zu, setzte sich wieder an den Tisch, und es war ihm ganz angst.

Der König sah wohl, dass ihm das Herz gewaltig klopfte, und sprach:

'Mein Lama, was fürchtest Du Dich, steht etwa ein Riese vor der Tür und will Dich holen?'

'Ach nein', antwortete es, 'es ist kein Riese, sondern ein garstiger Bromford.'"

"Ratz-fatz, Rübe ab?" fragt das Lama vorsichtig und mit wenig Hoffnung in der Stimme.

Ich schüttele den Kopf.

"'Was will der Bromford von Dir?'

'Ach, lieber Vater, als ich gestern – oder vor sieben Tagen – oder wann auch immer – im Wald bei dem Brunnen saß und spielte, da fiel mein goldenes Jo-Jo ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat es der Bromford wieder heraufgeholt, und weil er es durchaus verlangte, so versprach ich ihm, er solle mein Geselle werden; ich dachte aber nimmermehr, dass er aus seinem Wasser herauskönnte. Nun ist er draußen und will zu mir herein.'

Indem klopfte es zum zweitenmal und rief:

'Lama, jüngstes,
Mach mir auf
Weißt Du nicht, was gestern – oder vor sieben Tagen
oder wann auch immer
Du zu mir gesagt
Bei dem kühlen Brunnenwasser?
Lama, jüngstes,
Mach mir auf.'

Da sagte der König:

'Was Du versprochen hast, das musst Du auch halten; geh nur und mach ihm auf.'"

"Püh!" macht das Lama nur.

"Das Lama ging und öffnete die Türe, da hüpfte der Bromford herein, ihm immer auf dem Fuße nach, bis zu seinem Stuhl. Da saß er und rief:

'Heb mich herauf zu Dir.'

Es zauderte, bis es endlich der König befahl. Als der Bromford erst auf dem Stuhl war, wollte er auf den Tisch, und als er da saß, sprach er:

'Nun schieb mir Dein goldenes Tellerlein näher, damit wir zusammen essen.'

Das tat es zwar, aber man sah wohl, dass es 's nicht gerne tat. Der Bromford ließ sich 's gut schmecken, aber dem Lama blieb fast jedes Bisslein im Halse. Endlich sprach er:

'Ich habe mich sattgegessen und bin müde; nun trag mich in Dein Kämmerlein und mach Dein seiden Bettlein zurecht, da wollen wir uns schlafenlegen.'"

"Aha!" braust das Lama auf. "So eine Art Geschichte ist das also. Dann ist es noch schlimmer als ich dachte!"

"Pssst!" mache ich mal wieder und lese weiter.

"Das Lama fing an zu weinen und fürchtete sich vor dem kalten Bromford, den es nicht anzurühren getraute, und der nun in seinem reinen Bettlein schlafen sollte. Der König aber ward zornig und sprach:

'Wer Dir geholfen hat, als Du in der Not warst, den sollst Du hernach nicht verachten.'"

"Kuppelei und Zwangsverheiratung!" schreit das Lama auf dem Sofa. "Wo kommen wir denn da hin?"

"Lama!" sage ich bestimmt. "Halt die Klappe!"

"Da packte das Lama den Bromford mit zwei Fingern, trug ihn hinauf und setzte ihn in eine Ecke. Als es aber im Bett lag, kam er gekrochen und sprach:

'Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie Du: heb mich herauf oder ich sag 's Deinem Vater.'

Da wird es erst bitterböse, holte ihn herauf und warf ihn aus allen Kräften an die Wand.

'Nun wirst Du Ruhe haben, Du garstiger Bromford.'"

"Ende und aus!" verkündet das Lama. "Und wenn der Bromford nicht gestorben ist, also in genau dem Augenblick des Aufpralls, dann doch nur wenig später an seinen schweren inneren Verletzungen. Und jetzt schmeiß' das Buch weg! Verbrenne es oder was auch immer!"

"Noch ist das Märchen nicht aus", sage ich mit einem fiesen Grinsen. "Oder wie es an derer Stelle heißt: Solang die dicke Frau noch singt, ist die Oper nicht zuende. Bereit für ein Happyend, Lamatier?"

Das Lama stöhnt und verdreht die Augen in Richtung Zimmerdecke.

"Als der Bromford aber herabfiel, war es kein Lama mehr, das da in seinem Bettlein lag, sondern eine Königstochter mit schönen und freundlichen Augen, langen, blonden Haaren und so richtig dicken D…"

"IHHHHHH!" Langsam geht das Tier mir auf die Nerven mit diesem Geräusch.

"Und sie fielen sich in die Arme und versanken in einem langen, leidenschaftlichen Kuss der Liebe."

"Du hast es schon wieder getan!" Das Tier ist außer sich. "Ein Lama, das sich in einen Menschen verwandelt! Das ist kein Happyend! Das kann kein Happyend sein!"

"Aber die Geschichte ist immer noch nicht zuende", sage ich ungerührt.

"Und dann folgten sie einem Stern und flogen mit ihrem fliegenden Teppich gen Bethlehem, um in einem Stall, in einer Krippe, in einem Bett aus Stroh, umgeben von der Heiligen Dreifaltigkeit – Maria, Joseph und Dörte – das Christkind zu schauen."

"Wer ist Dörte?" schreit das Tier.

"Keine Ahnung", sage ich. "Die hast Du ins Spiel gebracht."

"Und Du hast mir versprochen, dass das hier nicht so ein christliches Ding wird, Alter!" schmollt das Tier.

"Ach, komm her! Und lass Dich drücken!"

Ich stehe auf und presse das Lama mit beiden Armen an mich. Das Tier stöhnt genervt.

"Selbst Du kannst Dich doch dem Zauber der Weihnacht nicht entziehen. Dieser Teil der Welt ist nun mal geprägt vom Christentum. Und egal, ob Du es nun Weihnachten nennst oder Jahresend-Fest, heute ist der Tag der Tage. Heute leuchten die Kinderaugen und die Liebe in den Herzen der Menschen und aller Geschöpfe."

"Wenn Du meinst", knurrt das Tier.

"Und wie sagte schon der große Barde DJ Bobo?" fahre ich fort. "Wir wollen, dass die christlich-abendländische Kultur die Leitkultur bleibt, und nicht aufgeht in einem Mischmasch."

"Wer hat 's gesagt?" fragt das Lama. "Pass nur auf, dass nicht gleich wieder dieser TRÖÖÖT TRÖÖÖT TRÖÖÖT-Alarm losgeht."

Ich plappere ungehemmt weiter: "Am Ende ist alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es auch nicht das Ende…"

"Solange es keine unendliche Geschichte wird! Dann haben wir 's ja!" ätzt das Tier.

"Frohe Weihnachten!"

2 comments:

  1. Maria und Joseph verliefen sich im Wald.
    Da kam die Dörte und hat sie abgeknallt.
    So gab es keinen Nachwuchs, auweiah, welch ein Graus!
    Nun ist das blöde Weihnachtsmärchen aus... }]

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