Friday, December 20, 2013

Eine Weihnachtsgeschichte – Kapitel Zwanzig…


"Der eiserne Lamarich."

"Cool!" Ist das Tier wirklich begeistert oder tut es nur so? "Ist das jetzt Science-Fiction? Das klingt nach einem tollen Lama-Roboter. Aber wo ist der Buddy-Teil von der Geschichte? Oder geht der Titel noch weiter? 'Der eiserne Lamarich… und der trottelige Bromford'? Oder so?"

"Nein", sage ich trocken. "Nur: Der eiserne Lamarich."

Dann lese ich vor:

"Und am Morgen, als die Sonne sie aufweckte, kam ein Wagen herangefahren, mit acht weißen Pferden bespannt, die hatten weiße Straußfedern auf dem Kopf und gingen in goldenen Ketten, und hinten stand der Diener des jungen Bromford, das war der treue Lamarich."

"Oh ho!" macht das Lama. "Da isser ja, der Bromford. Aber der Lamarich, ein Diener? Also, das finde ich…"

"Pssst!" mache ich und lese weiter.

"Der treue Lamarich hatte sich so betrübt, als sein Herr war von einer bösen Hexe in einen Frosch verwandelt worden, dass er drei eiserne Bande hatte um sein Herz legen lassen, damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge.

Der Wagen aber sollte den jungen Bromford in sein Reich abholen; der treue Lamarich hob beide hinein,…"

"Wer ist denn 'beide'? Wer ist denn da noch?" unterbricht das Lama.

"Das steht hier nicht", sage ich, "denk Dir halt was aus. Sei doch nicht immer so phantasielos!"

Das Lama zieht einen Flunsch.

"Der treue Lamarich hob beide hinein, stellte sich wieder hinten auf und war voller Freude über die Erlösung.

Und als sie ein Stück Weges gefahren waren, hörte der Bromford, dass es hinter ihm krachte, als wäre etwas zerbrochen. Da drehte er sich um und rief:

'Lamarich, der Wagen bricht.'"

"Lamarich! Mir graut's vor dir",

sagt das Lama.

"Ganz andere Baustelle", meine ich.

"'Lamarich, der Wagen bricht.'

'Nein, Herr, der Wagen nicht,
Es ist ein Band von meinem Herzen,
Das da lag in großen Schmerzen,
Als Ihr in dem Brunnen saßt,
Als Ihr eine Fretsche wast.'

Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg, und der Bromford meinte immer, der Wagen bräche, und es waren nur die Bande, die vom Herzen des treuen Lamarich absprangen, weil sein Herr erlöst und glücklich war."

Das Lama schaut mich weiter erwartungsvoll und skeptisch zugleich an.

"Ende?" schlage ich vor, obwohl es nicht explizit im Märchenbuch steht.

Das Lama runzelt die Stirn, dann knurrt es: "Also, bist Du Dir sicher, dass das eine vollständige Geschichte war? Irgendwie fehlt mir da was. Fühle mich wie in einem Film, in den ich zu spät gekommen bin. Hast Du schon mal was von einem Anfang gehört, Alter?"

"Steht hier nicht", sage ich kurz und schlage das Märchenbuch zu.

"Lügner!" ruft das Tier und stürzt sich auf mich, um mir das Buch zu entreißen. "Gib her! Gib her! Das will ich selber sehen!"

Ich springe auf und renne um den Couchtisch herum.

"Ich denke, Du kannst nicht lesen, Du Tier?!" rufe ich.

"Halt die Klappe! Und gib das Buch her!" ruft das Lama und schnappt zu.

"OK, OK!" rufe ich nach einer Weile als ich schon leicht außer Atem bin. "Ich habe das Märchen davor weggelassen! Aber glaube mir! Der Lamarich kommt da nur im Titel vor und platzt ansonsten völlig unerwartet in die Geschichte. So als Anklatsch ganz am Ende. Ich wollte nur testen, ob das Ende an sich und für sich allein gestellt funktioniert und mehr Sinn ergibt. Und sei doch froh, dass das Lama diesmal am Leben bleiben durfte!"

"Na, wenigstens etwas!" brüllt das Tier. Dann gibt es die Verfolgung auf und verschwindet in der Küche.

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