Friday, December 06, 2013

Eine Weihnachtsgeschichte – Kapitel Sechs…


* Ich kann es nicht glauben! Ich fasse es ein-
fach nicht! Jetzt hocken wir hier schon seit
sechs Tagen rum, und Du hast immer noch
nicht angefangen mit der versprochenen
Weihnachtsgeschichte, Alter!

- Gut Ding will Weile haben! Außerdem habe
ich ein sehr anspruchsvolles Publikum, das
sich in alles einmischt: Anfangsformulier-
ungen, Dramatis personæ. Es würde mich
nicht wundern, wenn es auch noch etwas an
Ort und Zeit der Handlung auszusetzen hätte.

* Man wird sehen. Man wird sehen.

Einst lebte Labhrás ó Sagart Sliabh allein und zurückgezogen mit seinen Schafen zwischen den Hügeln der grünen Insel. Er führte ein einfaches und zurückgezogenes Leben und war damit zufrieden. Doch dann in einer langen, frostigen Winternacht klopfte der Wolf an die Tür seiner einfachen Holzhütte.

* Gesundheit!

- Wie meinen?

* Das, was Du da gerade gesagt hast – "Labas o
Schlapp" oder so – klang wie eine Mischung
aus Räuspern und Niesen. Damit solltest Du
mal zum Arzt gehen. Nicht, dass das noch
schlimmer wird.

- Labhrás ó Sagart Sliabh ist der Name meines
irischen Vetters und der der Hauptperson der
Geschichte, die ich gerade erzählen möchte.

* Nah, ich weiß nicht. Ein hinterwäldlerischer
Schafhirte aus Irland? Und dann kommt auch
noch der Wolf vorbei? Also das klingt mir aber
wenig glamourös. Wo sind die Prinzen und
Prinzessinnen? Wo sind die Schätze und der
Luxus? Wo ist das Lama in dieser Geschichte?
Und dann auch noch der Wolf? Reitest Du
jetzt auf der Werwolf-Welle, oder was?

- - - - - -

An dieser Stelle lässt das Lama mich im Wohnzimmer zurück und beginnt lautstark in der Küche zu kramen und zu klappern. Nach etwa einer Viertelstunde kommt es mit einem großen Bissen Salat zwischen den Zähnen wieder ins Wohnzimmer und beginnt mit vollem Maul und äußerst undeutlich zu sprechen:

"Unbestätigten Quellen zufolge wurde der letzte freilebende Wolf in Irland im Jahr 1786 erlegt. Und ich weigere mich, einer Geschichte zuzuhören, die im selben Jahr spielt, in dem mein heißgeliebter Lieblings-Preußen-König Friedrich, der Große Zweite, für immer in die ewigen Jagdgründe eingegangen ist."

Das Tier grinst mich breit mit grünen Zähnen an.

"Das hast Du doch alles gerade im Internet gegockelt, Tier!" protestiere ich.

Noch immer grinsend lässt es sich in einen der Sessel plumpsen.

"So macht das alles keinen Spaß!" sage ich und gehe in die Küche, um mir nun ebenfalls ein Abendessen zuzubereiten.

"Kannst ja morgen einen neuen Versuch starten!" ruft das Tier mir hinterher und schaltet den Fernseher an. "Aber dann besser ohne fette Iren und böse Wölfe!"

Ich brülle zurück: "Aber es wäre ein Lama in der Geschichte vorgekommen!"

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