Erster Stock links
Da wohne ich nun schon seit über einem Jahr in Bromford, der freundlichen Stadt mit der Brücke am Meer, und in diesem, meinen Penthouse über dem fünfzehnten Stockwerk, wort-wörtlich auf dem Dach des Hochhauses, und kenne kaum einen meiner Nachbarn, kaum einen der anderen Bewohner des Hauses in der Whitaker Lane 666. Ich werde versuchen, das in den nächsten vierundzwanzig Tagen zu ändern.
Das Wohnhaus hat, von meinem Penthouse abgesehen, noch vierundzwanzig weitere Wohnungen, achtzehn kleinere Apartments, von denen sich jeweils zwei eine Etage teilen, und sechs größere Wohnungen, die jeweils ein ganzes Stockwerk einnehmen. Erreichbar sind die verschiedenen Ebenen des Hauses wahlweise über einen Fahrstuhl oder ein Treppenhaus, wobei sich die Treppen um den Aufzugschacht nach oben winden.
Bisher habe ich immer den Fahrstuhl genommen, um in mein Penthouse zu gelangen. Ich muss einfach nur einen besonderen Schlüssel in ein Schloss im Inneren des Fahrstuhls stecken und lande direkt in meiner Wohnung auf dem Dach. Gewöhnliche Besucher ohne diesen "goldenen" Schlüssel, müssen bis in die fünfzehnte Etage fahren oder steigen, dann ein letztes Treppenstück nehmen und landen so auf der Nordseite des Daches. Mein Penthouse steht wie ein wirkliches, einstöckiges Haus in der Mitte des Daches. Ein Kiesweg führt vom Ende der Treppe im Freien bis zu meiner Haustür, an der die Besucher, wie an den meisten Haustüren, klingeln müssen, um eingelassen zu werden. Wenn ich denn überhaupt Besuch bekomme. Oder was war mit der rothaarigen Nachbarin aus dem Stockwerk unter mir, die sich den Zucker ausleihen wollte? Wie lange ist das nun wieder her? Raum und Zeit haben die Angewohnheit, in meinem Kopf zu verschmelzen zu einem undurchsichtigen, trüben Gebräu aus…
Doch genug damit! Ab heute nehme ich die Treppen, halte jeden Tag in einer anderen Etage an und klopfe oder klingele an einer anderen Wohnungstür. Ich werde mich vorstellen als der Bewohner des kleinen Hauses auf dem Dach und versuchen, so die Menschen und ihre Leben zu meinen Füßen besser kennenzulernen.
Ich beginne im ersten Stock, Apartment 1, auch "erster Stock links" genannt, obwohl mir der Sinn dieser Bezeichnung nicht ganz einleuchtet. Die Wohnungen sind hintereinander angeordnet auf den Etagen, auf denen sich zwei befinden, und über einen langen, durchgängigen Flur zu erreichen. Also liegt Apartment 1 eher vor Apartment 2, oder wenn man auf dem Flur zwischen den beiden Wohnungstüren steht, eher rechts davon.
Ich bin etwas aufgeregt. Was wird die Bewohnerin dieser Wohnung zu meinem unangekündigten Besuch sagen? Wird sie sich freuen, mich zu sehen, oder mich als aufdringlich und anmaßend empfinden und versuchen, mich so schnell wie möglich abzuwimmeln? "Anne-Marie Whitaker" steht auf dem goldenen Namensschild an der weißen Tür mit dem kleinen, runden Spion auf Augenhöhe in der Mitte.
Ich schaue nervös und mit schwitzigen Händen nach rechts und links. Von rechts bin ich gekommen. An diesem Ende des langen Flures befindet sich der Hauseingang. Dort ist der Fahrstuhlschacht. Rechts davon führen die ersten Treppenstufen in die oberen Stockwerke, links davon welche hinab in die Kellerräume. Links von mir geht es zum Eingang von Apartment 2, das ich morgen besuchen werde. Aber der Flur endet nicht an der Wohnungstür von Apartment 2. Er geht weiter bis ans andere Ende des Hauses, wo ein großes Fenster auf die Südseite der Stadt Bromford schaut.
Anne-Marie Whitaker, Dich habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Höchste, allerhöchste Zeit, das zu ändern. Statt den Klingelknopf zu drücken, klopfe ich an die helle Tür, nicht zu energisch und alarmierend, wie ich hoffe.
Anne-Marie Whitaker ist eine kleine, alte Dame mit auffallend blauem, wenn nicht fast violettem Haar. Hier scheint eine Haartönung schief gegangen zu sein. Wo bleibt Ihr Mut zu silbernen Haaren, Miss Whitaker? Sie ist alleinstehend und war nie verheiratet, etwas, das sie mir schon nach den ersten Begrüßungsworten ungefragt offenbart. Den Rest des Gesprächs geht es nur noch um ihren berühmten Vorfahren und sein Vermächtnis.
Die Whitaker Lane, in der unser Wohnhaus mit der Nummer 666 steht, wurde nach Roger Whitaker benannt, einem scheinbar uralten und längst verblichenen Barden, der im Mittelalter gewirkt zu haben scheint. So hört es sich zumindest in Anne-Maries Erzählungen an. Miss Whitaker ist eine Ur-Ur-Ur-Enkelin von diesem Roger, oder etwas in der Art. Und eines ihrer totlangweiligen Hobbies scheint zu sein, sich Musik ihres Vorfahren anzuhören, die eine volkstümliche Gesangs- und Intrumentalgruppe neu eingespielt hat.
Und so singen die neuen Barden den ganzen Abend Rogers alte Lieder, die sich eins wie das andere anhören. Und ich nippe dazu ein bitteres Gebräu, das Anne-Marie als Tee bezeichnet und knabbere dazu höflich an steinhartem Gebäck ohne Geschmack.
Als ich mich endlich von ihr verabschieden kann, schaue ich an ihrer Wohnungstür kurz in Richtung Apartment 2. Was wird mich morgen dort erwarten? Ist das ganze Apartmenthaus in der Whitaker Lane 666 in Bromford, der freundlichen Stadt am Meer mit der Brücke, voller alter und kauziger Typen?
Mit diesen Gedanken im Kopf drehe ich den goldenen Schlüssel im Schloss im Fahrstuhl und fahre ohne Halt hinauf in mein kleines Haus auf dem Dach.
Da wohne ich nun schon seit über einem Jahr in Bromford, der freundlichen Stadt mit der Brücke am Meer, und in diesem, meinen Penthouse über dem fünfzehnten Stockwerk, wort-wörtlich auf dem Dach des Hochhauses, und kenne kaum einen meiner Nachbarn, kaum einen der anderen Bewohner des Hauses in der Whitaker Lane 666. Ich werde versuchen, das in den nächsten vierundzwanzig Tagen zu ändern.
Das Wohnhaus hat, von meinem Penthouse abgesehen, noch vierundzwanzig weitere Wohnungen, achtzehn kleinere Apartments, von denen sich jeweils zwei eine Etage teilen, und sechs größere Wohnungen, die jeweils ein ganzes Stockwerk einnehmen. Erreichbar sind die verschiedenen Ebenen des Hauses wahlweise über einen Fahrstuhl oder ein Treppenhaus, wobei sich die Treppen um den Aufzugschacht nach oben winden.
Bisher habe ich immer den Fahrstuhl genommen, um in mein Penthouse zu gelangen. Ich muss einfach nur einen besonderen Schlüssel in ein Schloss im Inneren des Fahrstuhls stecken und lande direkt in meiner Wohnung auf dem Dach. Gewöhnliche Besucher ohne diesen "goldenen" Schlüssel, müssen bis in die fünfzehnte Etage fahren oder steigen, dann ein letztes Treppenstück nehmen und landen so auf der Nordseite des Daches. Mein Penthouse steht wie ein wirkliches, einstöckiges Haus in der Mitte des Daches. Ein Kiesweg führt vom Ende der Treppe im Freien bis zu meiner Haustür, an der die Besucher, wie an den meisten Haustüren, klingeln müssen, um eingelassen zu werden. Wenn ich denn überhaupt Besuch bekomme. Oder was war mit der rothaarigen Nachbarin aus dem Stockwerk unter mir, die sich den Zucker ausleihen wollte? Wie lange ist das nun wieder her? Raum und Zeit haben die Angewohnheit, in meinem Kopf zu verschmelzen zu einem undurchsichtigen, trüben Gebräu aus…
Doch genug damit! Ab heute nehme ich die Treppen, halte jeden Tag in einer anderen Etage an und klopfe oder klingele an einer anderen Wohnungstür. Ich werde mich vorstellen als der Bewohner des kleinen Hauses auf dem Dach und versuchen, so die Menschen und ihre Leben zu meinen Füßen besser kennenzulernen.
Ich beginne im ersten Stock, Apartment 1, auch "erster Stock links" genannt, obwohl mir der Sinn dieser Bezeichnung nicht ganz einleuchtet. Die Wohnungen sind hintereinander angeordnet auf den Etagen, auf denen sich zwei befinden, und über einen langen, durchgängigen Flur zu erreichen. Also liegt Apartment 1 eher vor Apartment 2, oder wenn man auf dem Flur zwischen den beiden Wohnungstüren steht, eher rechts davon.
Ich bin etwas aufgeregt. Was wird die Bewohnerin dieser Wohnung zu meinem unangekündigten Besuch sagen? Wird sie sich freuen, mich zu sehen, oder mich als aufdringlich und anmaßend empfinden und versuchen, mich so schnell wie möglich abzuwimmeln? "Anne-Marie Whitaker" steht auf dem goldenen Namensschild an der weißen Tür mit dem kleinen, runden Spion auf Augenhöhe in der Mitte.
Ich schaue nervös und mit schwitzigen Händen nach rechts und links. Von rechts bin ich gekommen. An diesem Ende des langen Flures befindet sich der Hauseingang. Dort ist der Fahrstuhlschacht. Rechts davon führen die ersten Treppenstufen in die oberen Stockwerke, links davon welche hinab in die Kellerräume. Links von mir geht es zum Eingang von Apartment 2, das ich morgen besuchen werde. Aber der Flur endet nicht an der Wohnungstür von Apartment 2. Er geht weiter bis ans andere Ende des Hauses, wo ein großes Fenster auf die Südseite der Stadt Bromford schaut.
Anne-Marie Whitaker, Dich habe ich noch nie zu Gesicht bekommen. Höchste, allerhöchste Zeit, das zu ändern. Statt den Klingelknopf zu drücken, klopfe ich an die helle Tür, nicht zu energisch und alarmierend, wie ich hoffe.
Anne-Marie Whitaker ist eine kleine, alte Dame mit auffallend blauem, wenn nicht fast violettem Haar. Hier scheint eine Haartönung schief gegangen zu sein. Wo bleibt Ihr Mut zu silbernen Haaren, Miss Whitaker? Sie ist alleinstehend und war nie verheiratet, etwas, das sie mir schon nach den ersten Begrüßungsworten ungefragt offenbart. Den Rest des Gesprächs geht es nur noch um ihren berühmten Vorfahren und sein Vermächtnis.
Die Whitaker Lane, in der unser Wohnhaus mit der Nummer 666 steht, wurde nach Roger Whitaker benannt, einem scheinbar uralten und längst verblichenen Barden, der im Mittelalter gewirkt zu haben scheint. So hört es sich zumindest in Anne-Maries Erzählungen an. Miss Whitaker ist eine Ur-Ur-Ur-Enkelin von diesem Roger, oder etwas in der Art. Und eines ihrer totlangweiligen Hobbies scheint zu sein, sich Musik ihres Vorfahren anzuhören, die eine volkstümliche Gesangs- und Intrumentalgruppe neu eingespielt hat.
Und so singen die neuen Barden den ganzen Abend Rogers alte Lieder, die sich eins wie das andere anhören. Und ich nippe dazu ein bitteres Gebräu, das Anne-Marie als Tee bezeichnet und knabbere dazu höflich an steinhartem Gebäck ohne Geschmack.
Als ich mich endlich von ihr verabschieden kann, schaue ich an ihrer Wohnungstür kurz in Richtung Apartment 2. Was wird mich morgen dort erwarten? Ist das ganze Apartmenthaus in der Whitaker Lane 666 in Bromford, der freundlichen Stadt am Meer mit der Brücke, voller alter und kauziger Typen?
Mit diesen Gedanken im Kopf drehe ich den goldenen Schlüssel im Schloss im Fahrstuhl und fahre ohne Halt hinauf in mein kleines Haus auf dem Dach.
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