Dritter Stock rechts
Den weißen Vollbart feinsäuberlich gestutzt, das lange, weiße Haar mit Pomade oder etwas in der Art an den Kopf gelegt, so steht er vor mir. Gewandet in einen kurzen, roten Hausmantel mit weißen Aufschlägen über einer langen, schwarzen Stoffhose, raucht er eine filigran geschnitzte Meerschaumpfeife, der ein süßlicher Geruch nach Vanille und Zimt entsteigt. Er nickt huldvoll und bittet mich herein.
Sein Name ist wirklich klangvoll: Sir Nicolas de Noelle. Das klingt nach altem französischem Adel mit dem Ritterschlag der britischen Königin. Verarmter Adel? Ich weiß es nicht. Würde sich ein reicherer Sir nicht eine der größeren Wohnungen in der Whitaker Lane 666 leisten können statt sich eine Etage ausgerechnet mit Roswitha Mauer zu teilen?
"Das hier war einmal eine erstklassige Wohngegend!" sagt Sir Nicolas und stößt versonnen seinen Tabakrauch aus. "Weit genug entfernt vom Lärm und Gestank des Hafens, aber immer noch nah genug am Meer, um das Salz in der Luft zu schmecken, wenn man die Fenster öffnet. Heute findet das hochwohlgeborene und adelige Leben ein ganzes Stück von hier entfernt statt. Noch weiter weg von der Brücke, dem Hafen und dem Meer!"
Er deutet in eine unbestimmte Richtung hinaus in die erleuchtete Dunkelheit. Wir stehen an einem der Fenster, das einen Ausblick auf Bromfords Südseite bietet. Die Lichter der noch höheren Hochhäuser funkeln und blinken gegen den sternenklaren Nachthimmel. Während meines jüngsten Aufenthalts im Weltall – und wir wollen es von nun an und in alle Ewigkeit so nennen, auch wenn mein mir nur zu gut bekannter Blogkommenterrorist es vermutlich anders bezeichnen würde – während meiner Abwesenheit also scheint die Stadt wirklich erstaunlich gewachsen zu sein, vor allem in die Höhe.
"Früher war mehr Anstand und Respekt", sinnt Sir Nicolas weiter, "und ich spreche jetzt nicht von Standesdünkeln. Ich habe mir nie etwas auf meine Herkunft eingebildet, aber mir fehlen die morgendlichen Milchmänner und die bekannten Gesichter auf der Straße, die einen mit vollem Namen ansprechen."
Ich weiß nicht, wie ich ihm helfen soll, nicht einmal, ob er überhaupt Hilfe braucht. Ich weiß nicht einmal, worüber er sich beklagt. Würde es ihm helfen, wenn ich ihn einmal am Tag mit "Guten Tag, Sir Nicolas de Noelle!" begrüßen würde? Ist es das, was er vermisst und sich wünscht? Oder ist er einfach nur einsam? Würde er mich von sich aus begrüßen, wenn wir uns auf der Straße träfen? Würde er sich meinen Namen merken?
"Bromford Bibble, der junge Mann, der heißt wie die Stadt!" verabschiedet er mich schließlich mit einem herzlichen Lächeln. Dann drückt er mir einen gefüllten Stiefel in die Hand. "Weil heute ein ganz besonderer Tag ist", flüstert er und zwinkert mir verschwörerisch zu.
Wer riecht wie die anderen gehört dazu.
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