Friday, December 05, 2014

Das Geheimnis von Bromford - Teil 5


"In diesem Fall ziehen Sie eine Maske schnell zu sich heran und platzieren diese fest auf Mund und Nase. Danach helfen Sie Kindern und hilfsbedürftigen Personen."
Batman zu Robin

* * *

* Ui! Ein falsch zugeordnetes Zitat. Mal wieder ein Kling-Plagiat?

- Geh weg, Lama. Und bleib am besten eine Weile verschwunden.

* Warum das denn?

- Passt besser in meine Geschichte.

* Welche Geschichte? Ich vermisse mal wieder den roten Faden. Das Garn, das Du spinnst ist mal wieder zu sprunghaft, um uns Leser wahrhaftig zu fesseln.

- Es ist zu dünn, um zu fesseln. Das wäre das bessere Bild. Was soll denn sprunghaftes Garn sein?

* Dann ist es eben zu dünn. Mann, bist Du heute aber dünnhäutig.

- Klappe, Tier! Ich fand die Geschichte bis hier eigentlich relativ linear und homogen.

* Homo...was?

- Außerdem sagst Du das nur, weil Du mein Drehbuch gelesen hast. Und dieser Teil hier eigentlich an einer ganz anderen Stelle in der Geschichte kommen sollte.Und sowieso und überhaupt.

* Ey, ey, mon capitaine!

- Was jetzt auch irgendwie nicht mehr passt...

* * *

Ding Dong. Es klingelt. Ich laufe schnell zur Tür, öffne – und stehe einem Pinguin gegenüber.

"Oh!" sage ich. "Sie… äh… der Pinguin… äh… aus dem Verlies im Keller… äh… ich meine… unter den Löchern."

Der flugunfähige Vogel hält mir einen Zettel unter die Nase, auf dem in peinlich gequetschten Buchstaben geschrieben steht:

"Von welchem Verlies reden Sie? Ich bin seit zwei Jahren Besitzer und Bewohner von Apartment 24 ein Stockwerk unter Ihnen und damit Ihr Nachbar. Erinnern Sie sich nicht an die Anzeige, die ich gegen Sie und ihren Mitbewohner erstattet habe, weil das Lama immer von Ihrer Dachterrasse auf meinen Balkon gespuckt hat?"

"Oh!" sage ich wieder. "Ja… das Lama. Ist gerade nicht da. Ist schon seit einer Weile im Untergrund… untergetaucht… sozusagen."

* * *

* Bin ich nicht! Bin ich nicht! Bin ich nicht!

- Bist Du doch! Bist Du doch!

* * *

"Oh!" sage ich zum dritten Mal, "… äh, ich meine… hallo, Herr Nachbar. Was kann ich für Sie tun?"

Der Pinguin deutet mit seiner Flosse auf das Paket, das neben der Penthaus-Tür liegt.

"Wollen Sie Ihr Paket abholen?" frage ich.

Der Pinguin blickt mir in die Augen und blinzelt.

"Jemand hat mir mal gesagt, ich stelle gerne unnötige Fragen", sage ich freundlich lächelnd.

Der Pinguin deutet noch einmal mit Nachdruck auf das Paket.

Ich reiche es ihm. Es ist von Teewurstversand24.de.

"Äh… möchten Sie vielleicht mal reinkommen?" frage ich. "Ich weiß, wir hatten unsere Meinungsverschiedenheiten, aber wir sind doch alle Menschen… oder nun ja, jedenfalls dachte ich, wenn Sie mal jemanden zum Quatschen brauchen…"

Wortlos watschelt der Pinguin an mir vorbei in mein Penthouse. Als ich das Wohnzimmer betrete, hat er sich schon irgendwie auf meinen Drehsessel gehievt und lässt seinen Blick umherschweifen. Ich setze mich auf das Sofa. Der Pinguin blickt mich schweigend an.

"Tja, nun", sage ich freundlich. "Da simmer."

Der Pinguin sagt nichts.

"Kann ich Ihnen etwas anbieten?" frage ich. "Haben Sie Hunger?"

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

"Vielleicht ein Eis?" frage ich.

Er schüttelt den Kopf.

Wir schweigen eine kleine Weile.

"Also, ich meine natürlich ein Speiseeis", sage ich. "Also, ganz normal", ich räuspere mich, "also nicht, dass Sie jetzt denken, ich habe Ihnen nur Eis angeboten, weil Sie ein Pinguin sind."

Der Pinguin blinzelt.

"Also. Ich meine… meinte… keine Eisscholle oder so. Speiseeis meinte ich. Ganz normal. Cookies & Cream."

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

"Laktoseintoleranz?" frage ich.

Er nickt.

"Das ist genetisch bedingt, hab ich mal gelesen", sage ich. "Am besten vertragen es die Nordeuropäer, und Sie sind ja nun so gar nicht von da… also nicht, dass ich irgendwie Ihre Herkunft… hui… jetzt begeben ich mich auf ganz dünnes Eis… für Sie wäre das ja kein Problem… Sie können ja bestimmt gut schwimmen… aber nicht fliegen… das ist doch komisch… Sie sind ein Vogel, können aber nicht… Das muss doch komisch… ich sollte aufhören, jeden Gedanken auszusprechen…"

Der Pinguin blinzelt.

Wir schweigen eine lange Weile.

"Fischstäbchen?" frage ich.

Er schüttelt den Kopf.

"Das habe ich auch nicht vorgeschlagen, weil Sie… Ich meine, ist ja eh kein Fisch drin. Ist alles Hähnchen."

Schweigen.

"Mir fällt auf, dass ich auch eh keine Fischstäbchen dagehabt hätte", sage ich gezwungen lächelnd, "weil, ich ess' ja kein' Fisch… also nicht, dass ich finde, dass Leute, die Fisch essen, also, dass das schlimm ist, oder so… ich mein, höchstens wegen der Umwelt, also, die Fischindustrie ist ja fast noch schlimmer als die Fleisch… also… haben Sie dieses Buch gelesen? Tiere essen?"

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

Eine streunende weiße Perserkatze hüpft durch die geöffnete Tür zur Dachterrasse und läuft einmal quer durchs Zimmer. Schweigend blicken wir ihr hinterher.

"Haben Sie schon den Film mit dem niedlichen gemäßigt-sozialdemokratischen Koalabär gesehen?" frage ich.

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

"Irgendwie mag ich Filme mit witzigen Tieren", sage ich. "Ich mochte auch den Film mit den tanzenden Ping… äh…, aber das ist vielleicht Geschmacksache."

Und während ich noch über den gemäßigt-sozialdemokratischen Koalabären nachdenke und die Art und Weise wie er in dem Buch von Marc-Uwe die Verfilmung und damit die Figur des kommunistischen Kängurus "entschärfen" oder auch kommerzialisieren sollte, fällt mir an dieser Stelle wieder ein, warum ich den Pinguin, diesen fischigen Vogel, nicht wie ursprünglich geplant durch einen Eisbären ersetzen konnte.

Schweigen.

* * *

* Warum konntest Du den Pinguin nicht durch einen Eisbären ersetzen, Bromford?

- Lama!

* Du weißt, doch, Du musst mir immer alles genau erklären, Bromford. Nicht, dass am Ende noch einer was falsch versteht, Bromford.

 - Weil mit einem Eisbären alle Anspielungen und Filmzitate in diesem BlockBlog-PostPost keinen Sinn machen würden, Lama! Deshalb konnte ich den Pinguin nicht durch einen Eisbären ersetzen, Lama!

* Ey, ey, mon capitaine!

* * *

"Fanden Sie den letzten Batman-Film auch so enttäuschend?" frage ich. "Haben Sie den schon gesehen?"

Der Pinguin schüttelt den Kopf. Er schwingt herum und dreht mir die Rückenlehne des Sessels zu.

"Ich finde, Christopher Nolan, der Regisseur, hat einfach einen ganz entscheidenden dramaturgischen Fehler gemacht", sage ich. "Man muss doch den stärksten Bösewicht für den dritten Teil aufheben!"

Der Pinguin dreht den Sessel zurück. Auf seinem Schoß sitzt die weiße Perserkatze. Er streicht mit seiner rechten Flosse über ihren Rücken.

"Wenn man schon im zweiten Teil den Joker bringt, hat man für den dritten eben nur noch Bane. Irgendbane. Verstehen Sie, was ich meine?"

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

"Dabei hätte es im Batman-Kosmos schon noch bessere Antagonisten gegeben", sage ich. "Zum Beispiel den… äh… den…"

Der Pinguin blinzelt.

"… den Riddler", sage ich.

Die Katze hüpft vom Schoß des Pinguins.

"Sie mögen bestimmt auch lieber die alten Batman-Filme mit… äh… Danny de Vito?"

Der Pinguin schweigt.

"Kucken Sie gerne Filme?" frage ich.

Der Pinguin schüttelt den Kopf.

"Verstehe", sage ich nickend. "Dann haben wir wohl ein bisschen aneinander vorbeigeredet. Also, ich habe an Ihnen vorbeigeredet… Sie haben ja nicht so viel…"

Der Pinguin schweigt.

"Man weiß immer, dass man jemand ganz Besonderen gefunden hat", sage ich, "wenn man einfach mal für 'nen Augenblick die Schnauze halten und zusammen schweigen kann."

Der Pinguin blickt irritiert.

"Das… das war ein Zitat", sage ich. "Aus Pulp Fiction…, auch ein… ein Film…"

Ich blicke über die Dachterrasse hinauf in den grauen, wolkenverhangenen Himmel. Ein kleines Motorflugzeug dreht dort oben seine Kreise. Es zieht ein langes Spruchband mit riesigen Druckbuchstaben hinter sich her:

DAS GEHEIMNIS VON BROMFORD WIRD IN ZWANZIG TAGEN ENTHÜLLT WERDEN.

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