Monday, December 01, 2014

Das Geheimnis von Bromford - Teil 1

SPEEDY'S
SANDWICH BAR & CAFÉ
BREAKFAST • LUNCH • PASTA

"Kannst Du heute mal bezahlen?" fragt das Lama nach dem Essen.

Wir sitzen zwischen vorweihnachtlicher Dekoration in Speedy's Sandwich Bar & Café und essen Spaghetti mit grüner Soße. Unser Kellner ist heute ein langer, dünner blässlicher Typ mit dunklen Haaren und stechenden Augen in einem dicken Wollmantel mit hochgeschlagenem Kragen. Von dem Besitzer des Cafés, dem kleinen, mausartigen Speedy, seinem Schnurrbart und dem auffälligen Sombrero keine Spur.

"Heute?" frage ich. "Mal?" frage ich. "Ich muss immer bezahlen, weil Du nie Geld mitnimmst."

"Tja", sagt das Lama lächelnd. "So ist das in der Welt. Der eine hat den Beutel, der andere hat das Geld."

Damit spielt es auf den Jutebeutel an, den es immer über der Schulter trägt. Aber wem will ich hier eigentlich etwas vormachen? OK, ich gebe es zu: Ich plagiiere hier mal wieder den Marc-Uwe Kling und was das Lama sagt, sagt eigentlich das kommunistische Känguru und was der Ich-Erzähler, also der Bromford, also ich sage oder sagt und tut oder tue, sagt und tut eigentlich der andere Ich-Erzähler, also der Kleinkünstler, also der… Sie wissen schon, was ich meine…

"Ja, aber vielleicht hat der andere irgendwann keine Lust mehr, den einen durchzufüttern."

"Welcher andere?" fragt das Lama.

"Na ich!" sage ich.

"Ach Du immer mit Deinem ich. Ich, ich , ich, ich, ich. Wie in Deinen Geschichten: Ich wache auf. Ich gehe ans Telefon. Ich fahre Bahn. Ich sage, ich frage, ich denke, ich will."

"Willst Du damit kritisieren, dass ich nur Ich-Erzähler-Geschichten schreibe?"

"Nein, nein", sagt das Lama. "Jeder wie er's kann. Das ist halt am einfachsten."

"Ich könnte auch die Erzählperspektive wechseln", sagte Bromford aufgebracht. "Jetzt bist Du der Erzähler."

Ich schüttelte den Kopf, steckte heimlich den Aschenbecher des Restaurants in meinen Beutel und sagte: "Das ändert doch nichts. Immer noch schreibst Du als Ich-Erzähler."

Bromford stutzte.

"Kein Problem. Kein Problem", sagte er dann. "Allwissender Erzähler."

Die Kritik an seinem Werk hatte die Aufmerksamkeit des braunhaarigen, mittelgroßen Mannes so in Beschlag genommen, dass ihm darüber entging, dass das Lama, welches in naher Zukunft eine böse Überraschung erleben würde, einmal mehr geschickt das Thema gewechselt hatte, um von seinen eigenen – finanziellen – Unzulänglichkeiten abzulenken.

"Moment mal!" ruft Bromford. "Du willst doch hier bloß ablenken."

Aber das Lama hatte das Restaurant schon längst unauffällig verlassen.

Lange noch saß Bromford an seinem Tisch, dachte über das Geschehene nach und verfluchte seinen Kompagnon. Er konnte ja nicht wissen, dass das Lama in diesem Moment auf der Straße von einem Bus, nein, einem Truck, einem 40-Tonner, dessen übermüdeter Fahrer immer wieder in Sekundenschlaf verfiel…

"Untersteh Dich!" rief das Lama, welches plötzlich wieder zur Tür reinstürmte und zehn Euro auf den Tisch knallte.

"Hier! Und jetzt lass diesen 'allwissend, allmächtig'-Scheiß."

" 'Okay', sage ich", schrieb Bromford. Aber in Wahrheit hatte er Blut geleckt. Die nächste Geschichte würde er aus der Perspektive eines Aschenbechers schreiben. Eines heldenhaften Aschenbechers in Gefangenschaft eines heimtückischen Paarhufers.

***********

Und irgendwo in einem Verlies tief unter der Whitaker Lane 666 sitzt ein Pinguin in einem großen, weißen Ledersessel, streichelt mit seiner schwarzen Flosse eine weiße Perserkatze und murmelt vor sich hin:

"Das Geheimnis von Bromford wird in vierundzwanzig Tagen enthüllt werden."

1 comment:

  1. Juch Hu, Adventskalender Geschichten aus und von Bromford. Ui, ui, ui ein Pinguin im Verlies der Whitaker Lane und dann auch noch mit einer weißen Perserkatze...Sehr mysteriös und spannend!

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