Tuesday, December 13, 2011

Twelve days left to go…

Lied des Tages… Thirteen – Johnny Cash
CD des Tages… Incubus - Light Grenades (erworben am 13. Dezember 2006)


Es klopft an der Tür zu meinem Penthouse.

Es klopft? Warum klingelt es nicht?

Es klopft wieder, diesmal lauter und energischer. Nicht wie mit Fingerknöcheln sondern eher wie mit blanken Fäusten.

Wer ist das? Zu gerne würde ich durch einen Türspion nach draußen schauen, aber so etwas hat die Penthousetür nicht, nur eine kleine Klappe mit einem kleinen, vergitterten Fenster dahinter. Das könnte ich öffnen und hinausschauen, aber wenn ich das tue, um zu erfahren, wer da gegen meine Tür hämmert, dann kann derjenige, der da so lautstark Einlass fordert, mich ebenfalls sehen. Und das will ich nicht. Also verharre ich rat- und tatlos mitten im Flur.

"Bromford?" ruft eine männliche Stimme. "Sind Sie da?"

Vorname und die Anrede "Sie", denke ich, wie vornehm oder wie schlecht synchronisierte amerikanische Seifenoper. Mit dem Fehlen der Anrede "Sie" im Englischen kommen einige Übersetzer scheinbar nicht klar. Oder warum sollten sich die Oberzicken in einer Glamour-Soap sonst gegenseitig die Augen auskratzen und sich an den Haaren ziehen, während sie sich beim Vornamen nennen, und dabei immer noch per "Sie" sein?

"Nun kommen Sie schon, Bromford!" Der Mann vor der Tür lässt nicht locker. "Ich weiß von Ihren Nachbarn, dass Sie da sind. Machen Sie mir schon die Tür auf!"

Ich kenne die Stimme. Ich musste ihr schon viele, viele Male zuhören, viel zu viele Male.

"Kommen Sie, Bromford. Ich mache mir Sorgen. Sie haben inzwischen drei Sitzungen verpasst. Das sind drei Monate, in denen wir nicht miteinander gesprochen haben."

Das ist doch tatsächlich Doktor Bell da draußen vor der Tür, mein Therapeut, der Typ, zu dem sie mich damals nach meinem Ausflug ins Weltall und in den Orbit und nach meiner Rückkehr von meiner Reise unter die Doppelspitze geschickt haben. Was will der denn hier? Ist das nicht eine eklatante Verletzung des Arzt-Patienten-Verhältnisses? Und warum fühle ich mich plötzlich wie ein Mönch? Oder muss ich sagen, ich fühle mich wie ein Monk? Ich hätte bei Doktor Kroger bleiben sollen. Der hätte mich wenigstens nicht bis nach Hause verfolgt. Dumm nur, dass Doktor Kroger vor einigen Jahren verstorben ist.

Was denke ich da nur für einen Unsinn? Psychiater! Wenn man sich mit denen einlässt, dann kann man ja nur komisch und wirr im Kopf werden.

Wieder trommelt der Doktor an die Tür. "Ich mache mir wirklich Sorgen! Ihre Nachbarn sagen, Sie haben angefangen, Essensreste und leere Flaschen von der Dachterrasse zu werfen. Außerdem spucken Sie aus dem Fenster. Und was sind das für Geschichten von einem Lama, das jetzt angeblich mit Ihnen da drinnen wohnt? Bromford, so kann das doch nicht weitergehen!"

"Was ist hier los?" Das Lama kommt kauend aus dem Badezimmer. "Wer ist der Schreihals?"

"Nur mein Psychiater", sage ich betont ruhig und gleichgültig, während mein Blick aber immer wieder nervös zur Tür huscht.

"Und lassen wir ihn nicht rein?" will das Lama wissen.

"Nein, wir lassen ihn noch etwas draußen auf dem Dach schmoren!" murmele ich.

"OK", nuschelt das Lama und: "Moment mal!" Dann verschwindet es in der Küche, wo es lautstark vor sich hin werkelt.

Schließlich kommt es mit einem großen, blauen Plastikeimer voller Wasser zurück in den Flur. Es reißt die Penthousetür auf und schüttet Doktor Bell den Inhalt des Eimers mitten ins Gesicht.

"Entschuldigen Sie!" sagt das Lama mit einem freundlichen Grinsen auf den breiten Lippen. "Mein Mitbewohner, Mister Bibble, meinte, Sie würden hier draußen schmoren. Ich wollte nur behilflich sein und Sie löschen! Ich wünsche Ihnen noch einen angenehmen Tag!"

"Ein La… ein La… ein Lama!"

Das Gesicht meines Therapeuten scheint nur noch aus weit und ungläubig aufgerissenen Augen zu bestehen. Seine zitternden Hände fassen sich ins klatschnasse Haar und raufen es. Dann rennt er in panischer Hast über das Dach in Richtung Treppenhaus.

Das Lama schließt die Wohnungstür. "Problem erkannt. Problem gebannt", erklärt es und reibt sich zufrieden die Hufe.

Dann schaut es mir tief in die Augen. "Ich weiß nicht, ob es Dir aufgefallen ist, aber diese Geschichte mit dem Psychiater, der nicht an die Existenz des Tieres glauben will, und dann selber durchdreht, als er es mit eigenen Augen sehen muss, hast Du auch schon wieder aus den Känguru-Chroniken geklaut. Langsam glaube ich, Du bist wie ein Schwamm, Bromford Bibble. Du nimmst alles, was Du jemals gelesen hast, in Dich auf und gibst es irgendwann wieder ab, ohne dass Dir bewusst ist, dass es nicht allein Deine Ideen sind, die Du da verwurstest."

Mit erhobenem Schwanz trottet es in Richtung Dachterrasse.

Unglaublich kluge und einsichtige Rede, denke ich anerkennend. Und dummes Gedächtnis, das Geschichten speichert, aber nicht die Quellen. Aber wer hat dem Lama den Job als mein Therapeut gegeben?

"Marc-Uwe Kling", murmele ich schließlich und balle die Fäuste. "Irgendwann wirst Du noch mal zu meiner Nemesis!"


Literatur ist gedruckter Unsinn.
August Strindberg

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