Wednesday, January 08, 2014

Familienmitglieder…


"Um noch mal auf diesen JussJuss zurückzukommen…", sage ich.

"Hatte mich schon gefragt, wann Du endlich fragen würdest, Alter!" sagt das Lama. "Aber echt mal!? Fast eine ganze Woche, bevor Du das Thema wieder auf den Tisch bringst?"

"Es waren höchstens fünf Tage, Tier. Und die Reihenfolge gibt den Takt vor. Du weißt doch", plappere ich vor mich hin. "Also, wer ist dieser JussJuss? Dein Großonkel, hast Du gesagt? Onkel von Vater oder von Mutter?"

"Weißt Du", sagt das Lama, "nach Deiner Märchenstunde im Dezember dachte ich, es wäre an der Zeit, Dir einmal Geschichten aus meinem Leben zu erzählen. Als eine Art Revanche, wenn Du so willst."

"Nicht schon wieder!" stöhne ich auf. "Und täglich grüßt das Lamatier…? Ich habe keinen Bock auf eine neue Endlosschleife!"

"Nein, das hier wird etwas völlig anderes!" meint das Tier. "Ich werde Dir in loser Folge Mitglieder meiner Familie vorstellen. Also, von ihnen erzählen, denn viele scheuen das Reisen oder sind nicht mehr unter uns. Denn wie heißt das alte Sprichwort? Sage mir, woher Du kommst, und ich sage Dir, wohin Du gehst."

"Und von wem kommt dieses Sprichwort?" spotte ich. "Von Lamonfuzius, dem großen tibetanischen Daily Lama?"

"Etwas mehr Respekt, wenn ich bitten darf!" Das Lama reckt die Nase in die Luft und schnaubt. "Du fragtest nach Großonkel Jussjuss. Großonkel Jussjuss, übrigens der Bruder meiner Großmutter Jussajussa, väterlicherseits, wurde am 11. März 1931 in Hindenburg O.S. in Oberschlesien, dem heute polnischen Zabrze geboren. Nach einer Lehre als Schmied und Arbeit in einer Schlosserei flüchtete er nach Ende des Zweiten Weltkriegs mit seinen Eltern und seiner kleinen Schwester nach Westdeutschland, wo er 15 Jahre lang in Bad Zwischenahn lebte und in einer Textilfabrik arbeitete."

"Aha", sage ich ungläubig. "Bad Zwischenahn?"

"Ruhe, wenn ich bitten darf!" tadelt mich das Lama. "Bei einem Lehrgang für Musterzeichnen an einer Textilfachschule entdeckte er seine Liebe für das Zeichnen neu. Daraufhin begann er 1953 an der Akademie der Bildenden Künste in München zu studieren, wurde aber von unfähigen und offensichtlich blinden Menschen, die sich Lehrer oder Professoren nannten, gezwungen, sein Kunststudium wegen mangelnder Begabung wieder aufzugeben."

"Pfff…", schnaube ich verächtlich. Das Lama würdigt mich keines Blickes.

"Danach arbeitete er als anschaffender Künstler."

"Ich hoffe, Du meinst freischaffend."

"Von mir aus auch das. Na jedenfalls machte er Karikaturen für Zeitungen und illustrierte Bücher für befreundete Autoren und so. Schließlich veröffentlichte er sein erstes Buch für Lamafohlen mit vielen lustigen Bildern und Figuren – darunter auch die inzwischen weltbekannte braun-weiß gescheckte Lamaente. Er nannte sich von da an JussJuss statt Jussjuss. Der Rest ist Geschichte. Seine Lamafohlen-Bücher verkauften sich wie geschnitten Brot und millionenfach in aller Welt, wurden für das Fernsehen als Zeichentrickfilme und teilweise auch für die große Kinoleinwand verfilmt. Es folgten weitere, zum Teil autobiographische Lamaromane für Erwachsene und diverse Kunstausstellungen. Viele seiner Bücher schrieb er für und in engster Zusammenarbeit mit seinem Lieblingsgroßneffen Kusskuss. 1989 gründete er die JussJuss Film & Medien AG, die sich um die Vermarktung seiner Schöpfungen und Kunstwerke kümmert, und verkaufte seine Mehrheitsaktien schließlich vor einigen Jahren mit einem sagenhaften Gewinn an einen amerikanischen Medien- und Zeichentrick-Konzern, der hier nicht näher genannt werden möchte."

Das Lama pfeift eine kleine Melodie, die mich aus irgendeinem Grund an das Lied der sieben Zwerge aus einer leicht kitschigen Verfilmung des Schneewittchen-Märchens erinnert. Ich runzele die Stirn.

"Großonkel JussJuss lebt heute größtenteils auf der spanischen Insel Teneriffa. Am 11. März 2014 wird er anlässlich einer Ausstellung seiner Arbeiten und zur Feier seines Geburtstags verkünden, keine weiteren Bücher mehr zeichnen und schreiben und fortan nur noch reisen und in der Hängematte liegen zu wollen, da er sich ohnehin für unbegabt halte."

"Jetzt bist Du auch noch Prophet?" frage ich.

"Vielleicht", sagt das Lama. "Außerdem möchte ich, dass Du mich von jetzt an nur noch KussKuss nennst, nicht mehr Kusskuss, zu Ehren meines großen Vorbilds: Großonkel JussJuss!"

"Ich nenne Dich gar nicht beim Vornamen, Tier", sage ich, "damit Du Deinen Namen nicht als Aufforderung missverstehen kannst, wenn ich Dich erinnern darf. Außerdem glaube ich, Du hast diesen Großonkel JussJuss einfach erfunden und seine Biographie aus irgendwelchen Einträgen bei Lexipedia zusammengeklaut."

"Glaub doch, was Du willst!" sagt das Lama. "Das wird mich nicht davon abhalten, hier weitere Lamareime aus dem Großen Buch der Lamareime zu verbreiten. Zum Beispiel diesen hier:

Alle meine Entchen
Schwimmen auf dem See,
Köpfchen in das Wasser,
Schwänzchen in die Höh."

"Ach, komm schon, Tier!" protestiere ich. "Du willst doch nicht behaupten…"

"Doch, will ich!" sagt das Lama. "Man liest sich. Bis denn dann."

No comments:

Post a Comment