Thursday, May 17, 2012

Immer wenn Du denkst…

es geht nicht mehr,
dann kommt von irgendwo
ein Lichtlein her…

Oder diese Mukke?

Wer hat das nun wieder gesungen? Jan Delay in seinem Lied über die Hoffnung?

Mit einem dumpfen Dröhnen trampelt eine ganze Elefantenstampede durch meinen Kopf. Ich öffne mühsam die schweren Augenlider und blinzele in diesen Herrentag.

Ich sehe doppelt: Zwei Lamas mit gespaltener Lippe, die sich mit großen, gelben Zähnen grinsend über mich beugen. Ich blinzele erneut und bringe damit die beiden Bilder meiner Augen zur Deckung. Nur ein Lama. Zum Glück!

"Alter! Warst Du lange weggetreten! Zwei Tage, Alter! Seit Dienstag!"

Ich grunze wehleidig, schließe die Augen wieder und lehne mich zurück in meine Kissen.

"Was wird das hier?" maule ich. "Und täglich grüßt das Murmeltier?"

"Nein, und täglich grüßt das Lama hier!" pampt der Paarhufer zurück.

Mit geschlossenen Augen betaste ich meinen Kopf, etwa an der Stelle, an der das Dröhnen und Pochen am stärksten sind. Ich ertaste eine dicke, harte Beule.

"War ja nett von Dir, dass Du den Scheinwerfer mit Deinem Schädel auffangen wolltest, Alter, aber irgendwie auch unprofessionell", plappert das Lama und zieht mir die Decke weg.

Ich liege auf der Couch im Wohnzimmer meines Penthouses. Liege ich hier tatsächlich schon seit Dienstag, seit meinem ungeplanten Besuch im Keller der Whitaker Lane 666?

"Tja, ich weiß Deinen Einsatz ja zu schätzen, aber das Ergebnis war leider desaströs. Der Scheinwerfer ist jedenfalls nicht mehr zu gebrauchen. Und die Kamera mit dem Stativ hat er auch noch umgerissen. Die ist jetzt leider auch irgendwie Schrott. Ich trage Dir aber nichts nach, Alter! Ich denke doch, Du hast eine gute Haftpflichtversicherung!?"

Kerzengerade schnelle ich in die Höhe.

"WAS?????"

will alles in mir aufschreien, aber ein Schmerz in der Stirn wie von einem Schlag mit einem großen Hammer zwingt mich zurück in eine liegende Position.

"Du trägst mir nichts nach?" grummele ich. "Du gibst mir die Schuld, dass dieser Scheinwerfer und diese Kamera jetzt kaputt sind?"

"Nun ja", plaudert das Lama und sucht Schränke und Schubladen nach Essbarem ab. "Da wäre immer noch diese Sache mit Besitz und Eigentum und der Frage, welches von beidem stärker wiegt. Strenggenommen ist die ganze Fotoausrüstung im Keller Dein Eigentum, denn ich habe sie mit Deiner EC-Karte bezahlt. Aber wenn man solche Geräte monatelang benutzt und in Besitz hat, dann gewöhnt man sich an sie, dann gewinnt man sie fast liebt. Und dann ist man enttäuscht und traurig, wenn jemand daher kommt und sie einfach kaputt macht."

"Du bist traurig? Du bist enttäuscht?" Erst jetzt sehe ich den Eisbeutel, der auf dem Couchtisch griffbereit liegt. Ich nehme ihn und presse ihn mir an die Stirn. "Traurig und enttäuscht?" Ich schüttele den Kopf. Kein schmerzhafter Hammerschlag diesmal, nur ein leichtes Prickeln. "Wer hat denn am Dienstag auf seiner panischen Flucht all diese Fotowände und schließlich auch den Scheinwerfer und die Kamera umgeworfen? Wer hat sich denn hier seit Januar im Keller versteckt und mich mit gefälschten Postkarten und fingierten Telefonanrufen verarscht? Wer hat mir denn hier monatelang vorgespielt, er, sie oder es sei auf Weltreise mit einem Schabrackentapir aus Wanne-Eickel? UND WOHER KENNST DU EIGENTLICH DIE GEHEIMZAHL FÜR MEINE EC-KARTE???"

Das Lama hat eine Tafel Schokolade, ein Vanilleeis am Stiel und mehrere Tüten Chips gefunden und alles in Windeseile und beinahe restlos vertilgt.

"Also", mampft es undeutlich. "Ich war nicht die ganze Zeit im Keller. Ab und an bin ich auch hier herauf gekommen, wenn Du nicht da warst. Ich habe den Großbildfernseher vermisst und das Badezimmer. Außerdem war da unten eine Spinne von der Größe…" Es hockt sich auf die Hinterbeine und spreizt die Vorderhufe so weit auseinander, wie es ihm möglich ist. "Und für Deine EC-Karte hättest Du Dir aber wirklich eine bessere Geheimzahl ausdenken können! Dein Geburtsdatum, also würglich!!! Und zu Schabracken fällt mir nur ein, dass man zwischen innenliegenden und außenliegenden Schabracken unterscheiden muss:

Eine innenliegende Schabracke ist ein glatter, versteifter, meist mit Stoff bezogener Querbehang einer Fensterdekoration. Sie wird häufig an der Gardinenschiene mit Klettband oder Nägeln befestigt. Ihre Unterkante kann in verschiedenen Formen ausgeschnitten sein und mit einer aufgenähten oder aufgebügelten Borte verziert werden. Die Schabracke kann aber auch aus dem gleichen Stoff wie die seitlichen Dekoschals gefertigt werden. Die Schabracke bildet einen oberen Abschluss und dient häufig zum Verdecken eines Sturzes oder eines Rollladenkastens.

Außenliegende Schabracken dienen zum Verdecken der hochgezogenen Jalousie. Sie sind häufig aus ein- oder mehrfarbig bemaltem Blech.

Was das alles mit einem Tapir zu tun haben soll, verstehe ich nun allerdings nicht so ganz."

"Aufhören! Aufhören!" jammere ich gequält.

"Und wer oder was soll denn Wanne-Eickel sein? Zum Thema Wanne fällt mir nur die Badewanne ein, die ich mir schon vor einer halben Stunde zu einem entspannenden und erfrischenden Vollbad mit Pinien-Badeöl eingelassen habe und in die ich mich nun begeben werde."

Mit hocherhobener Nase und ebensolchem Schwanz trottet das Tier auf allen Vieren in Richtung Badezimmer. In der Tür zum Flur dreht es sich noch einmal um.

"Hast Du schon mal etwas von Fototapeten gehört, Alter?" fragt es überheblich. "Da gibt es wundervolle Motive von allen Sehenswürdigkeiten dieser Welt. Schon mal daran gedacht, die vier Wände diese Wohnzimmers mit der Chinesischen Mauer zu verschönern?"

Für einen Moment will ich das Lama mit meinem Eisbeutel erschlagen. Dann spiele ich mit dem Gedanken, mir selbst damit die Luftzufuhr abzuschnüren. Nur um dann, nachdem ich mich wieder in meine Decke gekuschelt habe, auch von diesem Plan wieder Abstand zu nehmen.

Doch bevor ich erneut in einen erhol- und heilsamen Schlaf sinken kann, ist das Lama wieder in der Wohnzimmertür, eingehüllt in einen blauen Frotteebademantel mit gelben Sternen.

"Ich wünsche Dir noch einen schönen Himmelfahrtstag, und dass Du den Namen dieses Feiertags nicht allzu wörtlich nehmen mögest, Alter!"

Wo soll das alles hier nur enden?

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