Sunday, November 29, 2015

Urlaub für Bromford...


Previously On Bromford's Blog…

Weit draußen in den unerforschten Einöden eines total aus der Mode gekommenen Ausläufers des westlichen Spiralarms der Galaxis leuchtet eine kleine gelbe Sonne. Um sie kreist in einer Entfernung von ungefähr achtundneunzig Millionen Meilen ein absolut unbedeutender, kleiner blaugrüner Planet, dessen vom Affen stammende Bioformen so erstaunlich primitiv sind, dass sie Digitaluhren noch immer für eine unwahrscheinlich tolle Erfindung halten.

Dieser Planet hat - oder besser gesagt, hatte - ein Problem: die meisten seiner Bewohner waren fast immer unglücklich. Zur Lösung dieses Problems wurden viele Vorschläge gemacht, aber die drehten sich meistens um das Hin und Her kleiner bedruckter Papierscheinchen, und das ist einfach drollig, weil es im großen und ganzen ja nicht die kleinen bedruckten Papierscheinchen waren, die sich unglücklich fühlten.

Und so blieb das Problem bestehen. Vielen Leuten ging es schlecht, den meisten sogar miserabel, selbst denen mit Digitaluhren.

Viele kamen allmählich zu der Überzeugung, einen großen Fehler gemacht zu haben, als sie von den Bäumen heruntergekommen waren. Und einige sagten, schon die Bäume seien ein Holzweg gewesen, die Ozeane hätte man niemals verlassen dürfen.

Und eines Donnerstags dann, mehr als zweitausend Jahre, nachdem ein Mann an einen Baumstamm genagelt worden war, weil er gesagt hatte, wie phantastisch er sich das vorstelle, wenn die Leute zur Abwechslung mal nett zueinander wären, kam ein Lama, das ganz allein in einem kleinen Café in Bromford saß, plötzlich auf den Trichter, was die ganze Zeit so schiefgelaufen war, und es wußte endlich, wie die Welt gut und glücklich werden könnte. Diesmal hatte es sich nicht getäuscht, es würde funktionieren, und niemand würde dafür an irgendwas genagelt werden.

Nur brach traurigerweise, ehe es ans Telefon gehen und jemandem davon erzählen konnte, eine furchtbar dumme Katastrophe herein, und seine Idee ging für immer verloren.

Das hier ist nicht die Geschichte dieses Lamas...

// BEWOHNER DER ERDE, BITTE HERHÖREN! HIER SPRICHT PROSTETNIK VOGON JELTZ VOM GALAKTISCHEN HYPERRAUM-PLANUNGSRAT. WIE IHNEN ZWEIFFELLOS BEKANNT SEIN WIRD, SEHEN DIE PLÄNE ZUR ENTWICKLUNG DER AUSSENREGIONEN DER GALAXIS DEN BAU EINER HYPERRAUM-EXPRESSROUTE DURCH IHR STERNENSYSTEM VOR, UND BEDAUERLICHERWEISE IST IHR PLANET EINER VON DENEN, DIE GESPRENGT WERDEN MÜSSEN. DAS GANZE WIRD NUR ETWAS WENIGER ALS ZWEI IHRER ERDENMINUTEN IN ANSPRUCH NEHMEN. DANKE. \\

KEINE PANIK !!! 
*

Sunday, November 22, 2015

Urlaub für Bromford...


"Inge!"

"Wer?"

"Verstehen Sie bitte, dass ich darauf keine Antwort geben möchte. Warum? Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern. Aber ich gebe sie Ihnen trotzdem!"

Ich stöhne und schüttele leicht den Kopf. Was redet der Mann da nur?

"Inge Koschmidder war in Dallas, Texas, als sie JKR das Hirn weggepustet haben."

"JKR? Sie meinen JFK - John Fitzgerald Kennedy, Präsident der US of A?"

"Nein, ich meine JKR - Joanne Kathleen Row... Upps! Entschuldigung, ich bin meiner Zeit mal wieder voraus. Das ist noch gar nicht passiert. These are things to come."

"Bitte! Jetzt keine Attentatsphantasien gegenüber Erfolgsautorinnen!"

"Sage ja nur, sie soll sich von Dallas, Texas, fernhalten in den nächsten 50 Jahren oder so. And it's a fixpoint in time. Inge cannot change it."

"Who?"

"Inge Koschmidder!"

Friday, November 20, 2015

Urlaub für Bromford...


"Inge war in dem Tunnel in Paris 1997, als Princess Diana, ihr Dodo und der Chauffeur gegen den Pfeiler rasten."

Was? Was? Was?

"Elsa, bleibt uns jetzt nicht einmal mehr Paris?"

Wie bitte?

"Solidarité! La Tricolore!"

Mario Luigi, der Concierge, der so viel mehr sein will als nur ein Hausmeister, scheint nun vollends den Verstand verloren zu habe.


Thursday, November 19, 2015

Urlaub für Bromford…


"So", murmele ich vor mich hin, "wie geht das denn nun hier?"

Ein Wisch über das Mousepad des Laptops hat den Bildschirmschoner verschwinden lassen. Jenen kryptischen Text bestehend aus einem Gedicht von Jim Morrison, dem Sänger der Doors, und einem Zitat aus Fight Club – wobei noch zu klären wäre, ob aus dem Film – The Movie – oder auch direkt aus der Romanvorlage von Palahniuk …

Doch, Moment mal! Woher weiß ich sowas? Woher weiß ich das? Bin ich ein allwissender Erzähler?

Ich bin nicht Bromford Bibble. Ich bin Brimstone Bibble, sein Bruder. Bromford ist derjenige, der sowas weiß. Bromford ist derjenige, der zu viel Zeit hat, der all diese Dinge hortet, all die Bücher liest, all diese Musik hört und all diese Filme und Fernsehserien schaut. Das meiste davon schön analog. Oder fast analog, denn Digitale Datenträger sind … bestenfalls digital. Und irgendwie out.

Wir leben in der Cloud. Wer müllt sich schon noch die Wohnung oder das Penthaus zu mit Compact Discs, Digital Versatile Discs oder Blu-rays? Von gedruckten (!!!) Büchern – Buchstaben auf Papier – ganz zu schweigen. Wer außer Bruder Bromford? Scream im Stream.

All das geht mir durch den Kopf während ich den Anmeldebildschirm des Laptops betrachte. Irgendwie erstaunlich, dass Bruder Bromford überhaupt einen Laptop besitzt. Ein Handy oder sogar ein Smartphone hat er nicht, soweit ich weiß.

Und jetzt will er ein Passwort. Ich lege den Kopf schief, denn der Computer verlangt kein gewöhnliches Passwort aus Buchstaben oder Zahlen sondern eine komplizierte, geometrische Figur, die ich durch das Verbinden von leuchtenden Punkten auf dem Bildschirm bilden soll…

"Inge Koschmidder!"

"WAAAS?"

Ich schrecke fürchterlich zusammen.

"Inge Koschmidder. Inge, Raumhafenputzfrau aus Castrop-Rauxel, war auch Aushilfsnavigatorin und stand am Steuer der Titanic, als der Luxusliner in jener verhängnisvollen Nacht 1912 den Eisberg rammte."

Ich schließe die Augen und schüttele den Kopf. Mario oder Luigi oder Mario Luigi, den Hausmeister oder Concierge, hatte ich total vergessen.

Oder?

Saturday, November 14, 2015

Urlaub für Bromford...


Das kleine, rote Spielzeugauto führt die Parade der klappernden, mechanischen Lamas in Schlangenlinien durch den gesammelten Unrat auf dem Flur. Die aufgezogenen Spielzeuge rattern und ticken und surren und spielen auf ihren winzigen Instrumenten einen Marsch, der irgendwie nach Rule, Britannia! klingt, während sich die Blechschlüssel an ihren Rücken und unaufhörlich drehen.

Ich krieche auf allen Vieren hinter ihnen her. Sie führen mich in eines der Schlafzimmer des Penthauses.

Mit einem letzten unmelodischen Scheppern kommt der kleine Zug zum Erliegen. Die Lamas sacken in sich zusammen, und das Spielzeugauto schaltet mit einem letzten Klicken der in ihm verborgenen Zahnräder seine Scheinwerfer aus.

Doch der Raum versinkt nicht in totaler Finsternis. Irgendwo neben dem schemenhaften Umriss des Bettes vor mir kann ich ein kleines, blaues Blinklicht erkennen.

Ich krabbele näher heran und ertaste einen Laptop, der im Stand-by schlummert und vor sich hin blinkt. Ich setze mich im Schneidersitz davor und klappe den Deckel auf. Auf dem Bildschirm erscheinen in roten Buchstaben auf schwarzem Hintergrund als eine Art Bildschirmschoner die folgenden Worte:

The movie will begin in five moments,
The mindless voice announced,
All those unseated will await the next show.

We filed slowly, languidly into the hall.
The auditorium was vast and silent.
As we seated and were darkened, the voice continued:

The program for this evening is not new,
You've seen this entertainment through and through.
You've seen your birth, your life and death,
You might recall all of the rest.
Did you have a good world when you died?
Enough to base a movie on?

The auditorium was lightened.

Please return your seatbacks to their full upright and locked position.
We have just lost cabin pressure.

It's called a changeover.

The movie goes on. And nobody in the audience has any idea.

Friday, November 13, 2015

Urlaub für Bromford...


Previously On Bromford's Blog…

Bromford Bibble ist verschwunden! Alarmiert von der Eigentümerversammlung der Eigentümer der Apartments im Haus in der Whitaker Lane 666 haben sein Bruder Brimstone Bibble und der Hausmeister Mario oder Luigi oder auch Mario Luigi, der sich selber aber viel lieber als Concierge bezeichnet, die Glas-Schiebetür zur Dachterrasse des Penthauses über dem 15. Stockwerk eingeschlagen und die zugemüllte und überfüllte, aber dennoch menschenleere Wohnung betreten. Auf dem Flur ließ Brimstone Bibble zuletzt die Taschenlampe des Conciergemeisters fallen und es wurde dunkel…

Und wo ist eigentlich das Lama?

"Es werde Licht!" brüllt der Concierge und: "Matte Fensterbänke aus Marmor werden wieder glänzend, wenn sie nach dem Putzen mit etwas Speiseöl eingefettet werden."

"Hmm, lecker!" denke ich verwirrt und: "Ich will hier raus!"

Mein Fuß stößt im Halbdunkel an die Taschenlampe, die ich gerade fallen lassen habe und kickt sie in die Lücke zwischen zwei Stapeln mit Dingen, die entstanden ist, als der Stapel dazwischen scheppernd zusammengebrochen ist.

Ich gehe in die Knie und taste nach der Lampe. Meine Finger gleiten dabei über – Ja, was ist das eigentlich? – Frühstücksbrettchen? Ja, Dutzende von Frühstücksbrettchen, die jetzt eine Art Tunnel bilden, aus dem mir zwei kleine, helle Lichtpunkte entgegen kommen. Die Punkte werden zu Kegeln und vereinen sich. Und aus dem Tunnel kommt ein kleines, rotes Spielzeugauto, gefolgt von einer Bande von Aufziehäffchen mit lustigen Zipfelmützen und kleinen Blechinstrumenten. Einer haut die Becken, einer schlägt die Blechtrommel und einer bläst die Tröte.

Aber sind das überhaupt Affen? Die Ohren sind irgendwie länger. Das Fell ist dichter. Das sind… das sind…

LAMAS.





Tuesday, November 03, 2015

Urlaub für Bromford...


"Oberlicht!"

"Was?" frage ich erschrocken und wirbele zu Mario Luigi, dem Hausmeister herum, wobei der Lichtkegel seiner eigenen Taschenlampe in meiner Hand ihn direkt ins Gesicht trifft.

Geblendet taumelt er leicht rückwärts und stößt einen Stapel aus leeren Schuhkartons um.

Einen Teil fange ich auf, indem ich ihn mit dem Oberkörper gegen die Wand dahinter drücke, und kann damit verhindern, dass auch die übrigen Minigebirge ins Rutschen geraten.

Der selbsternannte Concierge scheint meinen Balanceakt mit den Kartons nicht mal zu bemerken und fährt ungerührt fort:

"Die Decke des Flurs besteht zum größten Teil aus länglichen Oberlichtern." Er zeigt nach oben zu einer Reihe von mit nach außen gewölbten Glasscheiben abgedichteten Öffnungen im Flachdach des Penthauses. Er steigt auf die Zehenspitzen und streckt die Hand mit einer zweiten Taschenlampe, die er aus seiner Werkzeugkiste gekramt hat aus, als wolle er die Oberlichter berühren oder wenigstens untersuchen. Doch die Decke des Penthauses ist so hoch, dass selbst der große Kerl sie nicht ohne weiteres erreichen kann.

Ich atme schwer aus und trete einen Schritt von den Schuhkartons zurück, wobei ich mich vergewissere, dass ich den Stapel soweit stabilisiert habe, dass er nicht weiter in sich zusammenstürzt.

"Geben den ganzen Tag über ein gutes, natürliches Licht, die Oberlichter", murmelt der Hausmeister.

Ich stutze.

"Und warum ist es dann hier so dunkel?" frage ich mich und halblaut in den Flur gemurmelt.

"Genau das ist die Frage", flüstert Mario Luigi bedeutungsschwanger.

Der Strahl unserer Taschenlampen trifft von unten auf etwas, das wie eine dicke Schicht aus schwarzem Schnee aussieht und die Oberlichter von oben, vom Flachdach des Penthauses aus, komplett und beinahe lichtdicht abdeckt.

Plötzlich reißt der Hausmeister, der zu gern ein Concierge sein möchte, seinen Lichtstrahl nach unten und hält sich die Taschenlampe unter sein Kinn. Die Schatten seiner Wangenknochen, seiner Nase und seiner Augenhöhlen verzerren sein Gesicht zu einer dämonischen Fratze. Dazu stößt er ein Geräusch aus, das höchstens in einer bizarren Parallelwelt als Lachen durchgegangen wäre.

"Linseneintopf erhält eine exotische Note, wenn man ihn mit ungesüßter Kokosmilch und mildem Currypulver abschmeckt", verkündet er mit einer Stimme, die ich nicht mehr als seine eigene zu erkennen vermag.

Entsetzt starre ich ihn an. Was hat denn das nun wieder zu bedeuten?

"Nur Narren begrüßen jeden neuen Tag mit einem Lächeln!"

Die Taschenlampe des Hausmeisters fällt mir aus der Hand und geht aus. Und irgendwo fällt irgendetwas irgendwie scheppernd um.

Monday, November 02, 2015

Urlaub für Bromford...


Nachdem wir gemeinsam mit unserem ganzen Körpergewicht gegen die Wohnzimmertür gedrückt und dahinter irgendetwas Schweres über den Parkettboden geschoben haben, gelangen wir auf den Flur des Penthauses.

Durch die Durchbrüche zum Wohnzimmer fällt schummeriges Licht von der zugestellten Glasfront mit der Schiebetür. Und am anderen Ende des Flurs erkenne ich ein größeres, helles Quadrat, das das vergitterte Fensterchen in der Wohnungstür sein muss, das normalerweise durch eine kleine Klappe verdeckt wird.

Im Lichtschein der Taschenlampe erkenne ich, dass die Eingangstür mit großen, verbeulten, nach oben offenen und von irgendetwas überquillenden Pappkartons verrammelt ist. Auch wenn wir den Schlüssel zum Penthaus gefunden hätten, hätten wir vermutlich Probleme gehabt, ins Innere zu gelangen.

Ich leuchte den Flur weiter ab. Auch hier stapeln sich Berge und Türme aus Dingen und Zeugs. Der Fußboden ist übersäht und so bedeckt, dass man kaum einen Fuß vor den anderen bekommt.

Die Tür zum Fahrstuhl – von mir aus rechts neben der Eingangstür – kann ich von hier aus nicht erkennen, aber auch die Türen zum ersten Schlafzimmer, dem Badezimmer dazwischen und dem zweiten Schlafzimmer auf der rechten Seite des Flurs, gegenüber den fensterartigen Durchbrüchen zum Wohnzimmer sind zugestellt. Lediglich die Tür zur Küche in meinem Rücken ist frei zugänglich.

Auch hier stapeln sich alte Zeitungen und bedrucktes Papier meterhoch neben Bergen aus Sachen wie Schuhen und bunten Socken - jeweils immer nur der oder die linke aus einem Paar, wie es aussieht.

"Woher willst Du das wissen?" höre ich die Stimme meines Bruders in meinem Kopf flüstern. "Woher willst Du wissen, dass immer ein Schuh oder eine Socke fehlt?"

Doch ich wische diesen Gedanken beiseite.

Die Wände des Flurs sind tapeziert mit allen möglichen Zeitungsausschnitten und Zetteln, die mit Klebeband oder roten Pinnwand-Pins befestigt sind. Dazwischen sind blutrote Bindfäden gespannt, die die wildesten Verbindungen und damit eine Art riesiges, unstrukturiertes Spinnennetz bilden.

Ich folge einem dieser Fäden mit dem Licht der Taschenlampe und lande über die Tür des zweiten Schlafzimmers, um die Ecke bei folgendem Zettel, der in Gesichtshöhe an der geschlossenen Küchentür hinter mir befestigt ist:


Eine Gänsehaut krabbelt über meinen ganzen Körper, hoch und runter und schnürt mir schließlich die Kehle zu.

Bruder Bromford, was hast Du hier nur getrieben?