Sunday, February 02, 2014

Der Alptraum…


"Letzte Nacht hatte ich einen Traum, einen Alptraum. Ich träumte, ich könnte nicht einschlafen. Kann man träumen, wenn man nicht einschlafen kann? Ist Tagträumen das gleiche wie Nachtträumen? Ich weiß es nicht, aber ich versuchte in meinem Traum auf ein altbekanntes und oft bewährtes Mittel zurückzugreifen. Ich versetzte mich an den Rand einer grünen Wiese im Sonnenschein. Am Horizont konnte ich eine holde Schäferin erkennen. Keine Berufsbekleidung und kein Hütehund, aber lange, blonde Locken unter einem weißen Hut, dazu ein helles auf Taille geschnürtes Kleid mit bauschigem Rock und ein geschwungener Hirtenstab in der Hand, so wachte sie über ihre Herde flauschig wolkiger Marien-Lämmer. Das Schweigen der Dilemma. Dann stieß ich einen Pfiff aus. Ja, im Traum konnte ich sogar auf den Fingern pfeifen. Und es kam Bewegung in die Schafsherde. Eines nach dem anderen sprang über den umgekippten Holzzaun am Rand der Wiese, sodass ich eines nach dem anderen zählen konnte. Eins, zwei, drei ganz viele. Aber ich wurde und wurde einfach nicht müde. Vier Schafe. Fünf Schafe. Sechs Schafe. Die Schäferin war verschwunden. Und plötzlich waren es keine Schafe mehr, die dort über den umgekippten Holzzaun sprangen. Da waren ein weibliches Lama und ein sehr dünnes Lama in einem Nadelstreifen-Anzug mit Hemd und Krawatte. Und dann war da KussKuss, das Lama, das in meinem Penthouse lebt. Und sie sprangen und sprangen, wieder und wieder, weiter und weiter. Sieben Lamas. Acht Lamas. Neun Lamas. Und ich konnte nicht aufhören zu zählen. Und noch immer nicht einschlafen. Und dann sprang nur noch KussKuss und sprang und sprang. Zehn KussKuss. Elf KussKuss. Zwölf KussKuss. Dreizehn KussKuss. Und es grinste und grinste. Und irgendwann waren auch die Wiese und der umgekippte Holzzaun verschwunden. Und das Lama verwandelte sich in eine Gans, war aber immer noch KussKuss.

Witschel, watschel,
geht über die Brücken,
hat dem König
sein Bett auf dem Rücken.

Und ich rannte und zählte. Vierzehn Gänse. Fünfzehn Gänse. Sechzehn Gänse. Und ich zählte und schrie:

Ei Mütterlein, lieb Mütterlein,
das Gänslein ist im Garten.
Jag mir 's hinaus, jag mir 's hinaus,
es tut mir großen Schaden.
O Mütterlein, lieb Mütterlein,
das Gänslein will mich beißen!
Nimm ein Gäbelchen, schlag 's auf Schnäbelchen,
so wird 's Dich nimmer beißen."

Verschlafen öffne ich die Augen, drehe mich auf die andere Seite des Bettes und starre in das grinsende Gesicht des Lamas.

"LAMA!" brülle ich.

"Guten Morgen, Bromford Bibble. Warum erzählst Du mir das alles? Ich war schließlich live dabei heut' Nacht."

"VERSCHWINDE SOFORT AUS MEINEM BETT, TIER!"

1 comment:

  1. Ich habe manchmal tagelang versucht, jemand zu sein,
    der ich nicht bin, und dann die ganze Nacht geträumt,
    nicht schlafen zu können.
    Felix Meyer - Fantasie

    ReplyDelete