Saturday, July 20, 2013

Defekt…


"Tja", sagt der Mann in Arbeitslatzhose und reibt sich den schwarzen Schnurrbart, der aussieht wie eine Verkleidung. "Der Fahrstuhl ist dann wohl defekt."

Ach was, denke ich genervt. Dass der Fahrstuhl defekt ist, habe ich gemerkt, als ich eine gefühlte Woche darin zwischen der fünfzehnten Etage und dem Penthouse festgesteckt habe.

Der Mann klopft gegen die Metallschiebetür des Fahrstuhls, die sich direkt gegenüber der Eingangstür am anderen Ende des Flurs im Penthouse befindet.

Ha! Wir haben den Fahrstuhl eben nicht vergessen, Du Lamatier, denke ich und zucke bei jedem metallischen Pochen innerlich zusammen.

"Und Sie sind noch mal wer?" frage ich den Typen mit dem schwarzen Schnurrbart.

"Erinnern Sie sich nicht?" fragt der Typ und pocht jetzt völlig sinn- und nutzlos mit einem Gummihammer gegen die Schiebetür. "Ich bin doch Frank Chambers, der Hausmeister von Whitaker Lane 666, und noch immer der Meinung, dass dieser Fahrstuhl defekt ist."

"Und?" frage ich im Grunde wenig interessiert. "Können Sie ihn reparieren?"

"Tja", murmelt der Typ. "Das ist schwer zu sagen oder eine Frage des Könnens oder Wollens. Außerdem müsste ich Ihnen dazu erst mal auf 's Dach steigen!"

"Dann machen Sie es so", sage ich, wenig begeistert von der Vorstellung, auf unabsehbare Zeit täglich fünfzehn Stockwerke und unzählige Treppenstufen rauf und runter laufen zu müssen.

"Was macht eigentlich der Besitzer von Apartment 24 unter Ihnen?" fragt Hausmeister Frank.

"Sie meinen Doktor Hudson?" frage ich, mich fragend, was aus meiner Therapeutin, die nicht meine Haushälterin sein wollte, aber nicht meine Vermieterin war, geworden sein mag.

"Nein", brummt Hausmeister Frank. "Den kenne ich nicht. Wer soll das sein? Ich meine den langhaarigen Typen mit dem Vollbart und dem Brusthaartoupet und der animalischen Ausstrahlung."

Als ich ihn rat- und verständnislos anstarre, fragt er nur: "Wollten Sie nicht eine Sommerpause machen, Bromford Bibble?"

Dann steigt er mir auf das Dach des Penthouses, vielleicht um den Fahrstuhl zu reparieren, während ich mit aller Kraft und beiden Händen die Schiebteür aufreiße und in einen fünfzehn Stockwerke tiefen Abgrund starre, denn die Kabine und die Stahlseile, an denen sie gehangen hat und noch oben und unten gezogen wurde, sind verschwunden.

Ich schaue nach oben und rufe dem Penthouse-Dach zu: "Gondor hat keinen Hausmeister! Gondor braucht keinen Hausmeister!"

Und der Hausmeister namens Frank ruft in den Schacht hinunter: "Und Haustiere sind hier immer noch verboten!"

"Und wenn Du lange in einen Abgrund blickst, 
blickt der Abgrund auch in Dich hinein."

Friedrich Nietzsche

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