Thursday, June 13, 2013

Misery…


Als ich das nächste Mal aufwache, ist mein Bettnachbar Frank verschwunden und ich liege nicht mehr in einem Krankenzimmer im Krankenhaus. Stattdessen liege ich an Armen und Beinen mit Lederriemen fixiert in einem Metallbett in einem kleinen Schlafzimmer mit Blick auf meterhohen Schnee vor dem Fenster jenseits des Fußendes.

Frank ist verschwunden, aber Schwester Bilkes ist noch da. Sie sitzt in einem Schaukelstuhl neben meinem Bett und klappt gerade einen Laptop zu, als sie sieht, dass ich wach bin, während ich in einer Welle von Kopfschmerz und Übelkeit in die weichen Kissen zurücksinke.

"Schön, dass Sie wach sind, Bromford", flötet sie mit einer lieblichen, sanften Stimme, die so gar nicht zu dem Kasernenhofton passen will, den sie immer im Krankenhaus gebraucht hat. "Sie werden sehen: Sie werden wie neu sein, wenn ich Sie erst mal wieder richtig aufgepäppelt habe."

Sie hat sich an das Fußende des Metallbettes gestellt, zwischen meine mit den Lederfesseln leicht gespreizten Beine. Sie steht jetzt genau zwischen meinen v-förmig ausgestreckten Füßen, die aus unerfindlichen Gründen in weißen Tennissocken stecken. Mit ihren breiten Schultern und ihrem massigen Körper verdeckt sie den größten Teil des Fensters und den blendenden Ausblick auf die einsame Winterlandschaft da draußen. Wie eine monumentale Götzenstatue steht sie da mit ihren strengen Gesichtszügen und ihrem fettigen Haar, das ihr schwer und strähnig über die Schultern fällt.

"Sie müssen wissen, Bromford", haucht sie, und, obwohl es im Gegenlicht nur schwer zu erkennen ist, sehe ich ein beunruhigendes Lächeln über ihr breites Gesicht huschen, "ich bin ihr allergrößter Fan. Ich würde sagen, es ist sogar so, Bromford, dass ich Sie liebe. Ihren Verstand. Ihre Kreativität."

"Ich weiß", sage ich in meiner Verzweiflung, weil mir nichts anderes einfällt, "Sie sind mein Fan Nummer eins."

"Das ist es!" ruft sie aus. "Genau das ist es! Und ich liebe Ihren BlogBlock über alles!"

Sie beginnt, mit meinen Füßen zu spielen, fasst je einen großen Zeh mit einer Hand und zieht die Füße daran hin und her.

"Sind Sie AB, das Hundebildchen?" frage ich vorsichtig. "Oder Anonymous, mein Blogkommenterrorist?"

"Jetzt seien Sie doch nicht dumm, Bromford", sagt sie. "Ich bin Annie Bilkes, Ihre Krankenschwester und Lebensretterin!"

"Und Sie sind ganz sicher nicht Mrs. Hudson, meine Psychotherapeutin, die nicht meine Vermieterin und schon gar nicht meine Haushälterin sein will?" Ein bitterer Geschmack steigt in meiner Kehle auf.

"Na, die kann ich ja leiden!" faucht Annie Bilkes. "Was bildet sich diese Schnepfe eigentlich ein?" Sie hat aufgehört, meine Füße hin und her zu bewegen, dafür wird ihr Griff um meine großen Zehen fester, fast schon zu einem Kneifen.

"Sehen Sie zu, dass Sie dieses Frauenzimmer wieder loswerden!" Ihr Blick ist glasig auf einen Punkt irgendwo über meinem Kopf gerichtet. "Und wenn Sie nicht bald Kusskuss, das Lama, meinen absoluten Liebling in Ihrem BlogBlock, zurückholen, dann muss ich Ihnen leider mit einem Vorschlaghammer beide Knöchel zertrümmern. Und glauben Sie mir, das wird für keinen von uns beiden ein Vergnügen."

Meine Zehen schmerzen wie unter Druck in einem Schraubstock.

"Da kann ich ja froh sein",  keuche ich, einer Ohnmacht nahe, "dass Sie nur wie im Film vorgehen wollen und nicht wie in der Romanvorlage von Stephen King. Sonst würden Sie mir mit einer Axt den linken Fuß abhacken und nicht nur die Knöchel brechen."

"Wer ist schon Stephen King. Und wer liest heutzutage schon noch seine Bücher?" lacht Annie Bilkes, mein Fan Nummer eins.

Und mir wird schwarz vor Augen...

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