Monday, June 24, 2013

Making Mistakes…


"Das ist", schnaubt Annie Bilkes und klappt mit wutrotem Gesicht den Laptop zu, "ein Haufen Exkrement! Gequirlter Hundekot! Ein Berg Pekinesenkotze, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und ich spreche hier nicht von den Bewohnern der Hauptstadt Chinas, nur um das mal klarzustellen!"

Sie wirft den Laptop auf den Schaukelstuhl, in dem sie gerade noch gesessen hat, und beginnt keuchend und lamentierend im Raum auf und ab zu gehen.

"Was sollte denn das? Woher kommt plötzlich dieser Butler? Und warum bringt er Leute um? Ich verlange doch nun wirklich nicht viel, Bromford! Es ist ja nicht so, als würde ich von Ihnen fordern, dass Sie eine Schundroman-Heldin, die Sie im Vorgängerband im Kindbett haben sterben lassen, ins Leben zurückschreiben. Alles, was ich möchte, ist, dass Sie Kusskuss, das leibreizende Lama zurückholen! Zurück in Ihren BlockBlog. Zurück ins Penthouse. Zurück in Ihr Leben!"

Sie bleibt am Fenster stehen und atmet schwer gegen die Scheibe, sodass diese beschlägt.

Ist der Schnee da draußen vielleicht inzwischen weniger weiß? Nimmt er nicht vielleicht immer mehr einen schmutzigen Grauton an? Ist das vielleicht ein Zeichen für die Schneeschmelze und den nahenden Frühling?

"Habe ich Ihnen nicht erlaubt, aus dem Bett aufzustehen?" fragt sie. "Habe ich Sie nicht von Ihren Fesseln befreit und Ihnen einen Tablet-PC gegeben, damit Sie in ihrem BlockBlog posten und das Lama zurückschreiben können?"

Doch, doch, hat sie, denke ich, denn ich sitze mit dem kleinen, flachen Ding in der Hand in einem Sessel neben der Tür und liege nicht mehr in dem ausgedienten aber noch voll funktionsfähigen Krankenbett.

"Versuche ich nicht alles, um Ihnen ein kreatives und anregendes Ambiente zu schaffen?" fährt sie fort und atmet schwerer. "Und was ist der Dank?"

Sie lässt ihre geballten Fäuste auf die Fensterbank knallen. Und ich zucke leicht zusammen.

"Von einem Lama keine Spur!" brüllt sie. "Warum sind Sie nur so uneinsichtig, Bromford?"

Ich schlucke. Flucht, schießt es mir durch den Kopf. Aber wohin? Raus in den Schnee? In meinem hinten am Rücken offenen Operationsnachthemd? Ohne Schuhe? Total geschwächt und ausgezehrt von einer Diät aus Haferschleim und in Kamillentee zerstoßenem und aufgeweichten Zwieback? Nicht einmal eine schwere, altertümliche Schreibmasche mit zunehmend fehlenden Buchstaben hat sie mir gegeben, mit der ich meine Muskeln trainieren und die ich ihr in einem finalen und fatalen Kampf über den Schädel ziehen könnte.

"Warum schreibt das Lama eigentlich keinen eigenen Blog?" fragt Annie Bilkes.

"Weil es keine Zehen zum Tippen hat", antworte ich schnell und unbedacht. "Außerdem ist es ein Vierbeiner, ein Tier und kann weder lesen noch schreiben."

"Dann", jetzt prasseln sicher gleich wieder ihre absurden Ideen in einem ungedämmten Redefluss auf mich ein, "behaupten Sie doch einfach, Sie wären ein Wissenschaftler und würden auf der Suche nach einem Heilmittel gegen Demenz und Alzheimer Versuche an Lamas durchführen. Niemand weiß bisher, womit Bromford, der Mann, der heißt wie die Stadt, sein Geld verdient. Und dieses Mittel macht eins der Lamas hyperintelligent. Sie nennen es Kusskuss. Und es lernt Sprechen. Und sein erstes Wort ist…"

"Nein!" rufe ich aus. "Kusskuss ist nicht Caesar und auch kein Schimpanse. Und er lernt auch nicht Sprechen, um sich gegen Misshandlungen durch Draco Malfoy zu wehren. Wir sind hier nicht in einem Prequel zum Planet der Affen!"

"Dann klauen Sie sich irgendeine andere Idee! Das können Sie doch so gut, Sie alter Plakatator!"

Ich seufze: "Aber ich weiß gar nicht mehr, was der Stephen King so schreibt. Habe lange nichts mehr von ihm gelesen. Und Marc-Uwe Kling und seine blaue Känguru-Offenbarung lassen auch auf sich warten. Mir fällt einfach nichts ein."

Sie dreht sich um, scheint kaum noch zu atmen und schaut mich aus scheinbar ruhigen Augen lange an. Ihr Tonfall wird jetzt fast schon bedauernd und mitfühlend.

"Muss ich Sie erst daran erinnern, dass vor der Tür dieses Schlafzimmers ein Vorschlaghammer und eine Astschere nur darauf warten, Ihnen wahlweise die Knöchel zu zertrümmern oder Ihnen den einen oder anderen Finger abzuschneiden?"

Dann fällt mal wieder die Tür hinter ihr ins Schloss und wird von außen verriegelt.

No comments:

Post a Comment