Monday, February 20, 2012

Oceanic 815…


Lieber Brumford,

ist das eigentlich Dein echter Name? Oder hatten wir diese Frage schon einmal? Bist Du eigentlich noch in der Reihe? Wo warst Du letzten Montag? Warst Du etwa von der Linie?

Schade, ich hätte sehr gern eine neue Postkarte von mir gelesen, aber stattdessen muss ich sie nun wieder selber schreiben. Na, dann…

Möchtest Du raten, wo ich gerade bin?

Möchte ich das? Aber allzu schwer ist es diesmal wirklich nicht. Das Lama grinst dümmlich unter einer riesigen Sonnenbrille hervor.
Im Hintergrund steht ein imposantes Gebäude an der Waterkant, dessen Dach sich dreigeteilt in einen wolkenlosen Himmel erhebt. Es soll an die geballten Segel eines Segelschiffes erinnern, habe ich irgendwo gehört oder gelesen, aber mich als alten Star-Trek-Seriengucker erinnert es gleichzeitig auch an den Hut eines Bajoranischen Vedeks. Fehlt nur noch ein großes, baumelndes Ohrgehänge.
Aber ich schweife ab.
Das Lama steht in der prallen Sonne und unter dem strahlend blauen Himmel vor dem unverkennbaren Opernhaus von Sydney, Australien.
Können Lamas eigentlich Sonnenbrand bekommen? Sieht fast so aus.

Ich stehe in der prallen Sonne und unter dem strahlend blauen Himmel vor dem Opernhaus von Sydney, Australien. Ist doch unverkennbar, oder?

Ach was, denke ich und verziehe den Mund.

Australien, das ist und war wie Nachhausekommen, könntest Du denken, aber dann würde Dir vielleicht doch wieder einfallen, dass ich nicht das kommunistische Känguru des Marc-Uwe Kling sondern ein Lama ohne Pyjama bin und nicht aus Yokohama. Wo ist das eigentlich? Aber ich schweife schon wieder ab.

In der Tat, denke ich und verdrehe die Augen.

Quiqueg, mein Heidenfreund, das thronfolgende Schabrackentapir, hatte einen fürchterlichen Streit mit seinem Vater, dem König der Schabrackentapire, in dem es seltsamerweise um die Thronfolge des borneotischen Schabrackentapirkönigreiches ging. Der eine konnte nicht mehr König werden wollen, weil der andere noch nicht mehr König gewesen sein werden sollen tat. Jedenfalls so in die Richtung.

Am Ende klemmte mich Quiqueg unter seine starken Vorderarme und schleifte mich in unser kleines, chinesisches Kopieflugzeug.

Sein Vater brüllte uns noch hinterher: "There Will Be Kings! Kings Of Convenience, Kings Of Leon and Flower Kings! Denkt an meine Worte!"

Dann zogen wir schon wilde Zick-Zack-Kurse über Urwälder, Inseln und jede Menge Ozean. Schließlich verzogen wir uns über jede Menge trockenes, rötliches Land.

Irgendwo über dem Ayers Rock hatten wir uns dann schließlich endgültig verflogen. Uns ging erst der Sprit aus, dann der Motor des Kleinflugzeuges, und schließlich mussten wir notwassern. Dumm nur, dass es auf dieser riesigen Gefängnisinsel so gut wie kein Wasser gibt!

Wir notlandeten also im staubigen, roten Sand und hätten die "ChessNut", unser Plagiatflugzeug Made in China vielleicht noch am Stück retten können, wäre es nicht von einer wilden Horde tasmanischer Teufel in seine Einzelteile zerlegt worden. Und glaub' mir, ich habe keine Ahnung, ob ich hier von diesen Beuteltieren schreibe, von denen ich nicht einmal weiß, ob sie wirklich welche sind und ob sie überhaupt etwas so weit im Norden zu suchen haben, oder von irgendeiner Verbrecher- und Vandalen-Gangsterbande gleichen Namens. Vielleicht waren es auch Wombats. Keine Ahnung!

Wie dem auch sei, Flugzeug kaputt, machten wir uns zu Fuß auf den Weg zur nächsten menschlichen oder sonstigen Ansiedlung von Lebewesen. Aber Menschen scheint es hier wenige zu geben auf dem roten Kontinent. Kängurus übrigens auch nicht viele. Stattdessen ist hier alles voller Kaninchen und das trotz Rabbit-Proof-Fence, an dem, wir lange entlang wanderten.

Irgendwann trafen wir dann auf Marlin, einen mittelalten Mann in orange-weißen Klamotten mit schmalen schwarzen Streifen und Ärmeln, die aussahen wie Fischflossen, und seine leicht debile Freundin Dory, die auf der Suche nach Marlins Sohn Nemo waren. Dieser wurde offenbar von einem Titanen und ehemaligen Fußballtorwart namens Noonien Singh Khan in das quadratische Designerhaus eines Zahnarztes namens P. Sherman, 42 Wallaby Way, Sydney, verschleppt.

Und nach etlichen Irrungen und Wirrungen kamen wir schließlich auch wirklich bei dieser Adresse und Zahnarztpraxis an. Das ist vielleicht ein Glaskasten! Das reinste Aquarium, sage ich Dir! Aber die Geschichte war mir dann zu verwirrend, zu düster und mit zu viel Information. Also frag' mich nicht, wie sie ausgegangen ist. Ich glaube, Nemo, der verschleppte Sohn, baute sich noch ein U-Boot namens Nautilus und fuhr damit zum Mittelpunkt der Erde und in 80 Tagen um die Welt, mit wem oder ohne wen auch immer.

Aber eine weitere Reisebekanntschaft war vielleicht doch wichtiger. Unterwegs im sogenannten Ostaustralischen Strom trafen wir noch einen dicklichen Typen wie eine Riesen-Wasserschildkröte namens Hurley, der immer und alle 'Dude!' nennt. Der Typ scheint im Lotto gewonnen zu haben, denn er schenkte uns einfach so zwei Flugtickets. Und so fliegen wir gleich, also noch heute oder in wenigen Augenblicken, mit dem Flug Oceanic 815 von Sydney nach Los Angeles, wo wir dann auf dem Flughafen LAX landen werden.

Doch habe ich irgendwie kein gutes Gefühl dabei. Warum muss ein Flughafen wie ein Speisefisch heißen? Und wer sind all diese merkwürdigen Gestalten hier am Check-In? Wer ist der glatzköpfige Mann im Rollstuhl? Der Typ im Anzug? Die hübsche Frau mit dem grimmigen Typen neben sich, die ihre Hände so eigenartig unter ihrer Jacke verborgen hält? Der langhaarige Iraker? Das koreanische Ehepaar? Die schwangere Blondine? Irgendwie verschwimmt alles in einem dunklen Rauch.

Aber ich muss nun los. Ich melde mich aus den Verteidigten Staaten von Amerika, Los Angeles, der Stadt der Enkel und Hollywoodstars, sobald wir im Lachs gelandet sind.

Lass Dich nicht aufweichen!
Gruß und Kuss Kusskuss.

Déjà-Vus. Lauter Déjà-Vus. Immer und immer wieder. Irgendwie kommt mir das alles bekannt vor, wie viel zu viele Flashbacks, Flashforwards und Flashsideways…

Ob sie Lama und Schabrackentapir in den Frachtraum gesperrt haben? Gibt es so große Tiertransportboxen?

Guten Flug, denke ich und knabbere gedankenverloren an einem Schokoriegel der blauen Marke Apollo.

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

1 comment:

  1. Und dann trifft das Lama auf einen Eisbären Namens Knut, mitten auf einer Insel im Pazifik?
    Hier schleifen aber ganz viele Endlos... und schleifen...
    Der Vergleich des Opernhaus mit einem Hut eines Bajoranischen Vedeks ist genial!

    ReplyDelete