Friday, November 04, 2011

Das Labyrinth der Träumenden Bücher…

- Kennst Du den neuen Walter Moers?

* Den neuen Mittelstürmer vom FC? Ist der nicht auch zu REAL gegangen?

- REAL Madrid?

* Nein, ich meine die Lebensmittel-Einzelhandelskette. Aber egal ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien!

- Aber ich spreche überhaupt nicht von einem Fußballspieler. Ich spreche von dem Comic-Zeichner, Illustrator und Autor Walter Moers und seinem neusten Roman "Das Labyrinth der Träumenden Bücher".

* Na, dann.

- Also, ich kann verstehen, dass einige treue Leser der inzwischen sechs Zamonien-Romane etwas enttäuscht sind vom Labyrinth, zumal eben dieses "Labyrinth der Träumenden Bücher" höchstens in Erinnerungen und Rückblenden eine Rolle spielt.

* So, so.

- Die Hälfte des Buches besteht aus theoretischen Abhandlungen und Abschweifungen über den Puppetismus, die Kunst des Puppentheaters in jeglicher Form, die sich im wieder aufgebauten Buchhaim ausgebreitet hat. Buchhaim, die Literaturmetropole des vergessenen und versunkenen Kontinents Zamonien, war schon der Schauplatz des Romans "Die Stadt der Träumenden Bücher" und an dessen Ende durch ein Großfeuer weitgehendst vernichtet worden, wie wir uns erinnern dürften.

* Na, dann.

- Hauptfigur ist auch hier wieder Zamoniens vielleicht größter Literat, der dichtende Saurier Hildegunst von Mythenmetz von der Lindwurmfeste, dessen Übersetzer und Illustrator Walter Moers ja immer wieder zu sein vorgibt. Und er wird durch einen geheimnisvollen Brief zur Rückkehr nach Buchhaim animiert.

* So, so.

- Hatten wir das so oder so ähnlich nicht auch in "Die Stadt der Träumenden Bücher"? Wiederholt Moers sich an dieser Stelle? Teilweise schon, finde ich, besonders in jenem Teil der zweiten Hälfte des Buches, der – gefühlt? – die Hälfte der zweiten Hälfte ausmacht, in dem in Form einer Puppentheater-Aufführung noch einmal haarklein der Inhalt der "Stadt der Träumenden Bücher" nacherzählt wird.

* Na, dann.

- Und in der ersten Hälfte reiht sich eine Begegnung mit einigen bereits aus dem Vorgängerbuch bekannten Charakteren an die nächste, in denen die Geschichte und Entwicklung Buchhaims nach dem großen Brand berichtet wird. Von der Stadtführung mit der lebenden Zeitung und ihren historischen Zeitungsausschnitten in FRAKTUR einmal abgesehen.

* So, so.

- Irgendwie kommt über die ersten rund dreihundertfünfzig Seiten keine rechte Spannung auf. Der rote Faden der Handlung scheint zu fehlen. Moers verliert sich in Beschreibungen von Orten und Situationen und eben dem Puppentheater, was sicher nicht jedermanns Ding sein dürfte.

* Na, dann.

- Und kaum kommt auf den letzten rund hundert Seiten ein geheimnisvoller Charakter – mal wieder eine Haifischmade – ins Spiel, und kaum verschlägt es Hildegunst – endlich möchte man ausrufen – in die Katakomben von Buchhaim und damit in "Das Labyrinth der Träumenden Bücher", da endet das Buch einfach – noch dazu mit dem an dieser Stelle beinahe sarkastisch klingenden Satz:
"Hier fängt die Geschichte an."

* So, so.

- Da hilft dann auch das Nachwort des vermeintlichen Übersetzers Walter Moers nichts mehr. Dieses sei nur der erste Teil einer größeren Geschichte. Von Termindruck ist da die Rede und von der Größe des Projekts der Übersetzung und Illustration, die er überschätzt hätte.
"Denn, wie bereits von Mythenmetz verheißen: Die wirkliche Geschichte fängt hier in der Tat erst an. Alles Bisherige war nur Ouvertüre."

* Na, dann.

- Aber hätte man dem werten Leser das nicht vor dem Kauf des Buches sagen müssen? Hätte das nicht irgendwo in der Werbung oder auf dem Buchdeckel auftauchen müssen? Und wann erscheint der zweite Teil, wenn er denn überhaupt so bald herauskommt? Steckt da wirklich ein dämonischer, drängelnder und neuer Verlag dahinter, der unsensibel reagiert und mit juristischen Konsequenzen droht?

* So, so.

- So wirft das ganze immer neue Fragen auf. Was soll das mit dem Puppetismus? Das ganze Buch wirkt unfertig und unabgeschlossen. Moers scheint sich in Einzelheiten und Kleinigkeiten zu verlieren, die noch auf ihre Erklärungen warten.

* Na, dann.

- Also, ich fand, bisher hatte jedes der Zamonien-Bücher seine Längen. Selbst "Der Schrecksenmeister", von "Rumo und die Wunder im Dunkeln" ganz zu schweigen. Eine der Längen in "Die Stadt der Träumenden Bücher" wird in diesem Buch sogar direkt angesprochen in dem Teil, in dem der Inhalt in Form eines Puppentheaterstücks nacherzählt wird:
"Sie hatten meine beiden Besuche bei Phistomefel auf eine einzige Begegnung eingedampft und das gesamte Trompaunenkonzert, dem ich zwischendurch beigewohnt hatte, einfach weggelassen. Das war eine kühne und brutale Kürzung. Im Nachhinein erscheint sie mir aber völlig verständlich, denn in dieser Inszenierung wäre es nicht nur ein Bruch gewesen, sondern auch eine wahrscheinlich unzumutbare Länge für das Publikum, welches darauf brannte, dass die Handlung endlich in die Labyrinthe verlegt wurde."

* So, so.

- In "Das Labyrinth der Träumenden Bücher" scheinen sich sehr viele "unzumutbare Längen" eingeschlichen zu haben. Und bevor "die Handlung endlich in die Labyrinthe verlegt" wird, worauf die Leser brennen, hört das Buch einfach auf und lässt viele ratlos und enttäuscht zurück.

* Na, dann.

- Dennoch ist es kein schlechtes Buch, denn Walter Moers hat hier kein unausgegorenes oder sinn- und ideenloses Machwerk abgeliefert aufgrund von Termindruck durch den "bösen" Verlag. Die Lust am Fabulieren und der Erfindungsreichtum sind immer noch da. Aber die wirkliche Qualität dieser "Ouvertüre" auf vierhundertzwanzig Seiten wird man vermutlich erst dann beurteilen können, wenn man den zweiten Teil und damit die eigentliche Geschichte gelesen hat. Wenn es ihm gelingt, im zweiten Teil die (Marionetten-)Fäden zu verknüpfen und die Geschichte endlich anfangen zu lassen, wird der Leser vielleicht dafür versöhnt oder entschädigt, dass er sich durch seitenlange "Puppetistische Notizen" kämpfen musste.

* So, so.

- Warum habe ich nur das Gefühl, dass Du mir überhaupt nicht zuhörst?

* Keine Ahnung. Ich habe gerade überlegt, dass mir einige der "Puppetistischen Notizen" durchaus gefallen haben – z.B. der Seitenhieb auf Zank Frakfa und seine depressiv veranlagte Riesenkakerlake. Und dass Corodiak Smeik, der Meister des Puppaecircus Maximus, vermutlich doch Phistomefel Smeik ist, der den großen Brand überlebt hat und mit dem "Unsichtbaren Theater" und überhaupt dem ganzen Puppetismus nur einen weiteren Weg gefunden hat, wieder an die Macht zu kommen und sich seiner Gegner zu entledigen. Woher sollte er sonst seine intimen Kenntnisse aus den Katakomben haben – Gerüche und Geräusche und so weiter, die in das Theaterstück nach Mythenmetz' Roman eingebaut waren? Und woher sollte er als Zwillingsbruder von Hagob Saldaldian diese augenfressenden Parasiten aus den untersten Bereichen der Katakomben haben, wenn er Jahrhunderte lang weit entfernt von Buchhaim gelebt und die Katakomben niemals nicht von innen gesehen hat?"

- Du dusseliges Lama! Hörst Du gefälligst auf, meine Notizen zu lesen!

* Ach, Bromford Bibble, glaubst Du wirklich, dass das hier irgendwen interessiert? Glaubst Du, es gibt auch nur einen Internetuser, der Deine Pseudo-Buchkritik lesen wird? Das reicht ja nicht mal für eine Rezension auf amazon.de. Und klingt außerdem noch total abgeschrieben.

- Warum nur habe ich an dieser Stelle mal wieder das Gefühl, dass sich die Welt unter uns im Kreis dreht? Immer rund herum und rund herum und rund und rund herum herum…

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