Wednesday, September 14, 2011

Bromford Bridge...

Als ich heute Morgen mein kleines Haus auf dem Hügel verließ, der einmal ein Hochhaus in einer Großstadt war, die so heißt wie ich, um die Geister und Phantome zu jagen, die ich nun schon seit Monaten hinter roten Vorhängen vermute, trugen meine Schritte mich unaufhaltsam quer durch die kleine Stadt im Wald, vorbei am Diner, vorbei am großen Hotel, vorbei am Warenhaus, vorbei am Sägewerk, hinaus aus dem Schatten der Doppelspitze bis direkt vor den Anfang der großen Brücke.

Die Bromford Bridge. Das muss sie sein. Aber war die Bromford Bridge schon immer eine Eisenbahnbrücke? Vorsichtig setzte ich meine Füße auf die Schienen auf dem Stahlgerüst hoch über dem Fluss. Wo ist der Wald? Wo sind die Bäume?

Wie heißt der Fluss? Er wird breiter und breiter und verschwindet am Horizont. Doch er verschwindet nicht. Er mündet im Meer, vereinigt sich hinter dem großen Delta mit dem Ozean.

Das Vogelgeschrei stammt von Möwen, nicht von Eulen.

Und da ist sie endlich wieder:
Bromford, die freundliche Stadt am Meer.
Home Sweet Home.
Home is where the Heart is.

Und ohne es zu bemerken und vollkommen unbewusst haben meine Schritte mich vor das Hochhaus in der Whitaker Lane 666 getragen, auf dessen Dach sich mein kleines Penthouse befindet. Ich blicke die fünfzehn Stockwerke hinauf, folge mit den Augen dem Weg des rankenden, wilden Weins. Keine geheimen Spezialaufträge mehr. Keine ungeklärten Morde unter der Doppelspitze. Ich bin zuhause. Und es fühlt sich richtig an.


Wo ist die Zeit geblieben?
Jahr für Jahr für Jahr.
Träum' ich, dass ich lebe
oder ist es wahr?

War das, woran ich glaubte,
in Wirklichkeit nur Schein?
Hab ich zu lang geschlafen
und sah es nur nicht ein?

Was früher mir vertraut war
wie meine eigne Hand
ist mir, der ich erwacht bin,
auf einmal unbekannt.

Hier wurde ich geboren,
mit Liebe großgezogen.
Das Land ist fremd geworden,
als wäre es gelogen.

All die Kameraden
sind träge nun und alt.
Bebaut sind alle Felder.
Gerodet ist der Wald.

Die mich von damals kennen,
sehn an mir vorbei.
Die Welt ist voller Kälte
und voller Heuchelei.

Wieviel schöne Tage
hab ich hier erlebt?
Nichts ist mir geblieben,
was mein Herz erhebt.

Nichts stimmt mich mehr heiter.
Überall Verrat.
Nur der Fluss strömt weiter
wie er's immer tat.

Klage – Herman van Veen
Text: Walther von der Vogelweide

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