"Kein Mensch. Kein Mensch", murmelt das Lama vor sich hin und kauert sich in die hinterste Ecke des dunkeln Garderobenschranks im Flur des Penthouses in der Whitaker Lane 666. "Bromford Bibble ist kein Mensch."
In einiger Entfernung wird die Schiebetür zur Dachterrasse von außen aufgerissen. Sie springt krachend aus ihrer Schiene. Glas splittert. Das Lama schließt die Augen und zittert.
Schwere Schritte stapfen durch das Wohnzimmer. Ein erneutes Krachen und Splittern ertönen.
"Nicht der Großbildfernseher! Nicht der Großbildfernseher!" presst das Tier hervor. Dann robbt es mit dem Bauch auf dem Boden auf dem Flur in Richtung Schirmständer. Es richtet sich auf die Hinterbeine auf, springt ins abgedunkelte Wohnzimmer und richtet zwei Regenschirme, die es sich an die Vorderbeine ge-duct-tape-t hat, auf den Eindringling.
"ES LEBE DIE ANGLIZISMIERUNG UNSERER SPRACHE! THIS IS ART !!!" schreit es nicht sondern: "Bleib stehen, Du Unding! Was willst Du hier? Und was hast Du mit Bromford Bibble gemacht?"
Eine dunkle Gestalt mit einer Maschinenpistole, die sich bei näherer Betrachtung als Super Soaker Wasser-Pump-Gun erweisen wird, steht regungslos mitten im Wohnzimmer und dreht nun langsam und unter metallischen und elektronischen Pieps- und Klicklauten den Kopf in Richtung Lama. Das Wesen, das nur äußerlich wie Bromford Bibble, der Mann, der heißt wie die Stadt, aussieht, trägt eine große, dunkle Sonnenbrille und ein schwarzes, lederartiges Hemd, das bis zum Bauchnabel aufgeknöpft ist. Das Lama ist geblendet von der weißen Hühnerbrust und dem kleinen Bauchansatz, die ihm hier entgegen leuchten.
"Zugriff! Zugriff!" spricht das Bromford-Ding in seinen hochgestellten Hemdkragen und richtet das Schießgewehr auf das Tier.
Das Lama reagiert blitzschnell. Es spannt mit zwei Knopfdrücken die beiden Regenschirme – einen schlichten gelben und einen himmelblauen mit weißem Wolkenmuster und der Aufschrift "Schei… Wetter !!!" - auf und wirft sich dann selbst aus der Schussbahn des Eindringlings. Zwei parallel gebündelte Wasserstrahlen treffen die Wand mit der Durchreiche zur Küche.
Das Lama brüllt: "WER BIST DUUUUUUUUUUU…?"
Das Bromford-Ding senkt die Wasserpistole und schüttelt zweimal schnell den Kopf, den es anschließend scheinbar nachdenklich schräg legt.
Als das Lama hinter der Deckung des umgeworfenen Sofas hervorlugt, funkeln ihm zwei rote Lämpchen anstelle von Augen hinter der verrutschten Sonnenbrille entgegen. Das Tier beißt mit seinen großen, gelben Zähnen das Klebeband an seinen Vorderbeinen durch und schleudert die aufgespannten Regenschirme auf seinen Widersacher.
"IIIIIIIEEEEEEEEKKKKKKK!"
Das Bromford-Ding gibt ein mechanisches Kreischen von sich.
"Nicht schießen!" kreischt es. "Wir kommen in Frieden! Nicht schießen! Wir kommen in Frieden!"
Das Lama springt den Eindringling an und wirft ihn um. Mit erhobenen Armen und Beinen bleibt er auf dem Rücken liegen und zappelt hilflos wie ein umgeworfener Maikäfer. Das Lama schnappt sich einen der Regenschirme und fängt an, das Ding an allen möglichen und unmöglichen Stellen zu pieksen.
"Raus mit der Sprache!" verlangt es zu wissen, "wer bist Du? Und was hast Du mit Bromford Bibble gemacht?"
Das Ding hört auf zu zappeln und richtet den Oberkörper in einem für menschliche Wesen völlig unnatürlichen Winkel auf.
"Aufenthaltsort des Individuums mit dem Tarnnamen Bromford Bibble: Unbekannt!" verkündet eine blecherne und abgehackte Fistelstimme. "Identität: Brommy8. Zeitreisender Roboter-Mensch-Kontakter und Terminator der achten Generation. Besondere Fähigkeit: Kommunikation mit Lamas. Aus der Zukunft geschickt, um die Invasion der Kameliden zu verhindern. Vorbild: T-800, Modell 101, der im Jahr 1984 den Auftrag hatte, Sarah Connor zu töten, damit ihr Sohn John nicht zur Welt kommen konnte, um selbige eventuell zu retten. Obwohl sie damals nach meinen Daten erst vier Jahre alt war und das nicht verdient hat, denn so schlecht singt sie nun auch wieder nicht."
Das Lama schnaubt verächtlich: "Mission Accomplished, würde ich sagen. Hast Du nicht mitbekommen, dass die Kamele ihre Welteroberungspläne schon vor einiger Zeit aufgegeben haben, alte Blechkiste?"
Dann trabt es in die Küche, um mal wieder ausgiebig den Kühlschrank zu plündern.
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Später sitzen das Lama und das Bromford-Ding auf der Couch im Wohnzimmer und schauen sich Ridley Scotts BLADERUNNER in der gerade frisch eingetroffenen Blu-ray-Version auf dem wieder aufgestellten Großbildfernseher an.
"Sag' mal", sagt das Lama, "Du bist doch so eine Art Androide, oder?"
Das Bromford-Ding nickt und nimmt einen Schluck Schmieröl aus einer kleinen Kanne, die wohl der Hausmeister im Penthouse vergessen hat bei einem seiner unzähligen Versuche, den Fahrstuhl zu reparieren.
"Vielleicht kannst Du mir ja dann die Frage beantworten", fragt das Lama weiter. "Träumen Androiden von elektrischen Schafen?"
Irgendwo im Bromford-Ding wird Druckluft abgelassen, Zahnräder greifen ineinander und Gummischarniere quietschen, als es seinen Bromford-Kopf in die Richtung des Lamas dreht und es mit seinen nun grün leuchtenden Lampenaugen anschaut.
"Also", sagt der Roboter-Mensch-Kontakter, "wenn Androiden träumen, dann sind sie meistens kaputt."
Und das Lama nickt wissend und verstehend.
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