Monday, July 02, 2012

Manic Monday…


"Und Sie sind wirklich der Meinung, dass ich mir Kusskuss, das Lama, nur einbilde und ausgedacht habe? Und Sie finden, ich sollte mir endlich eingestehen, dass ich die ganze Zeit über nur Selbstgespräche führe, wenn ich mich mit dem Tier unterhalte oder streite?"

Mrs. Hudson lehnt sich in ihrem braunen Ledersessel mit durchgängiger Arm- und Rückenlehne zurück und zieht ihr Klemmbrett mit ihrem Notizblock an sich. Ich verschränke die Arme vor der Brust, lehne mich im Sessel gegenüber ebenfalls zurück und starre genervt und gelangweilt an die Decke ihres Büros.

"Ich bin nur Ihre Therapeutin, Bromford Bibble", seufzt die Frau, "ich kann Ihnen nur den Weg zeigen. Von mir gibt es kein 'richtig' oder 'falsch'. Ich öffne Ihnen nur die Türen. Die richtigen Schlüsse müssen Sie ganz allein ziehen! Und hören Sie auf, meine Notizen zu lesen!"

Schon irgendwie lustig, ihre Fixierung auf ihr Klemmbrett mit ihrem Notizblock und ihren handschriftlichen Notizen, denke ich amüsiert. Vielleicht ist sie es, die hier mal einen Therapeuten aufsuchen sollte.

"Sie sind nicht meine Therapeutin, Mrs. Hudson", murmele ich, "das ist Doktor Bell. Nun, er ist nicht meine Therapeutin sondern mein Therapeut, aber Sie sind meine Haushälterin, nicht meine Therapeutin!"

Sie trägt ihr Haar jetzt offen, nicht mehr hochgesteckt, und die Brille mit dem dicken Rand lässt sie etwas intellektueller wirken als bisher. Auch wirkt sie jünger ohne ihre Kittelschürze, aber sie ist dennoch dieselbe Frau, die mich seit Wochen mit ihren Putz- und Aufräumattacken triezt und mich mit ihrem bitteren Tee überschwemmt. Sie ist immer noch die Frau, die das Lama unsere Vermieterin nennt, nicht unsere Haushälterin.

"Bromford, das hatten wir doch alles schon einmal!"

Sie hat meine Hände gepackt und zwingt mich so, ihr in die Augen zu schauen.

"Doktor Bell hat wie Kusskuss, das Lama, nie existiert! Sie sind alle nur Ausgeburten Ihrer Phantasie. Nur Teile Ihrer eigenen Persönlichkeit."

Wie lustig die braunen Locken an ihren Schläfen wippen, wenn sie spricht, besonders so eindringlich und beschwörend wie jetzt.

"Sie sind kein Doktor, Bromford Bibble! Sie haben auch kein Trauma von einem Militäreinsatz in Afghanistan! Und ich habe Ihnen auch nie geraten, ihren Weg zurück in die reale Welt durch Aufzeichnungen Ihrer Erlebnisse in einem Blog im Internet zu dokumentieren! Ihr bester Freund ist kein hyperintelligentes, geigespielendes Lama mit Ambitionen als Privatdetektiv zu arbeiten. Und er, sie oder es ist auch nicht kürzlich verschwunden oder sogar verstorben."

Ach, bloß eins noch, ja? Eine Bitte hätte ich noch, geht es mir durch den Kopf, und ich sehe mich an einem Grabstein stehen. Mir zuliebe, ein Wunder. Seien Sie bitte... nicht tot. Würden Sie das für mich tun? Hören Sie einfach damit auf!

Aber ich will das nicht hören. Nicht schon wieder. Und eigentlich weiß ich inzwischen, wie das Spiel funktioniert. Ich muss ihr nur zustimmen, sie einfach nur in ihrem eigenen Wahn mich betreffend unterstützen, dann lässt sie mich meistens in Ruhe. Bis zur nächsten Sitzung. Ich darf nur nicht auf dem bestehen, was ich weiß, was sich seit drei Jahren in und um Bromford erlebt habe und noch immer erlebe. Aber manchmal kann ich mich einfach nicht verstellen, mich einfach nicht zurückhalten. Dann ist der Widerspruch ausgesprochen, bevor ich etwas dagegen unternehmen kann:

"Aber Sie behaupten jetzt nicht wieder, ich hätte seit drei Jahren meine Kellerwohnung nicht mehr verlassen, dass alle Menschen und Wesen, die ich in den letzten drei Jahren getroffen habe, das Penthouse in der Whitaker Lane 666, ja selbst die Stadt, die heißt wie der Mann, nur in meinem Kopf existieren?"

Stellt sich noch immer nicht der Realität, kritzelt sie mit kratzender Füllfeder auf den Notizblock auf ihrem Klemmbrett. Und ich kann es wieder deutlich lesen.

Mein Blick schweift aus dem Fenster ihres Büros im 56. Stockwerk, durch die Lücke zwischen den Wolkenkratzern, hinunter zum Hafen unter der Bromford Bridge und hinauf auf das offene Meer.

It's just another Manic Monday, denke ich erschöpft, I wish it was Sunday. Ob es das hier war, was die Bagels im Sinn hatten, als sie dieses Lied schrieben und sangen?

"Die weibliche Pop-Gruppe heißt The Bangles", sagt Mrs. Hudson beiläufig. "Bagels sind rundes Hefeteig-Gebäck mit einem Loch in der Mitte. Aber unsere Sitzung ist beendet für heute. Wir sehen uns dann am Freitag."

Ich nicke zustimmend und stehe auf.

Und von einem Lama keine Spur…

2 comments: