Wednesday, February 29, 2012

Weisst Du wie viel Sternlein stehen…?

Lieber Bromford,

ich bin es leid, mir immer neue Spitznamen und Varianten Deines Namens ausdenken zu müssen und dafür so wenig Aufmerksamkeit und Beachtung zu ernten. Namen sind schlussendlich doch nur Schall und Rauch. Und würde eine Rose nicht auch dann lieblich duften, wenn sie einen anderen Namen trüge?

Wer hat das gesagt? Umberto Eco oder Williams Shakespeare? Oder doch William, der Eroberer?

Sieh' an! Eine neue Fotopostkarte vom Lama. Ich dachte, es wäre für immer verschollen in BIELEFELD oder endgültig im Wahn der Verschwörungstheorien versunken!

Doch was soll das da auf dem Foto sein? Eindeutig erkennen kann ich nur die vier Hufe des Lamas. Sie stehen auf einem Gehweg oder etwas in der Art. Ein Gehweg aus etwas, das aussieht wie polierte, dunkle Marmorplatten mit weißen Einsprengseln. Und was ist da im Zentrum jeder Bodenplatte? Sollen das Sterne sein? Irgendwie rosa sehen sie aus, fünfstrahlig, mit einem goldenen Emblem und einem golden Schriftzug. Moment, wenn ich die Karte drehe – so – dann kann ich einen der Namen lesen:

KERMIT THE FROG ???

"Lamas haben keine Hufe, sondern Schwielen!" flüstert eine Stimme tief in meinem Kopf. Darüber will ich jetzt wirklich nicht nachdenken und lese einfach weiter.

Quiqueg, mein schabrackentapirischer Heidenfreund aus Wanne-Eickel, und ich wurden erleuchtet. Die veralteten Computer, in die wir die geheimnisvollen sechs Zahlen eingeben mussten, steuern ein Transportsystem errichtet von den Ersten Menschen, die diese Welt lange vor den Dinosauriern bevölkert und auch wieder verlassen haben. Dieses System ermöglicht Transporte von Ort zu Ort, zwischen Orte und sogenannte Zwischenorte. Aber das wird ein Spatzenhirn wie Deines niemals verstehen. Schließlich wurdest Du noch nicht geBIELEFELDblitzdingst.

Nach einem kurzen Aufenthalt im Keller dieses Ortes, den es bekannterweise gar nicht gibt, und nachdem wieder einmal der Alarm losgegangen und eine Entladung erzeugt wurde, weil wir die Zahlen eben nicht eingegeben haben, waren wir wieder auf dieser mehr als verlassenen Insel im Pazifik.

Allerdings nicht lange, denn nach einigem Gerangel und Tumult, einigen Schusswechseln, nach Dauerregen und Erdbeben, konnten wir mit dem Ajira Airways Flug 316 die Insel verlassen. Hinter dem Steuerknüppel saß – Na, endlich! – Dein alter Nachbar Frank Lapidus, nachdem der zuvor fast eine Bruchlandung auf einer selbstgebauten Landebahn hingelegt hätte. Außerdem hatten wir noch Kate Austen, James Ford, Claire Littleton, Miles Straume und Richard Alpert mit an Bord.

Nicht in der Maschine war WAAAAALT!!! Wer ist eigentlich Walt? Keine Ahnung, aber ich dachte immer, er wäre etwas Besonderes.

Und schließlich nach einem holperigen Flug mit miserablem Bordservice sind wir hier auf dem Los Angeles International Airport – kurz LAX – gelandet. Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf. Aber ich glaube, das ist eine andere Geschichte, die ein anderes Mal erzählt werden muss.

Nach einem kurzen Fußmarsch von vielleicht viereinhalb Stunden waren wir schließlich am Grauman's Chinese Theatre, einem Kino im Asia-Imbiss-Look, vor dem sich Quiqueg unbedingt die Hand- und Fußabdrücke von irgendwelchen Idioten anschauen wollte, die nicht mitbekommen hatten, dass der Beton, über den sie gerade liefen oder krabbelten, noch nicht getrocknet war.

Ach, und dann sind da noch lauter Sterne mit Namen drauf in den Bodenplatten auf dem Gehweg rechts und links der Straße, die sich hochtrabend Hollywood Boulevard nennt. Alles Stars, sagt Quiqueg, und ich weiß nicht, ob ich meinen Heidenfreund für sein geschliffenes Englisch bewundern soll oder nicht. Tagsüber drücken sich hier Touristen rum, sagt er noch, und nachts Bordsteinschwalben. Frag' mal Julia Roberts, sagt er. Oder lief Richard Gere hier als American Gigolo Streife in diesem Film?

Wie dem auch sei. Wir suchen jetzt noch den Stern von David Hasselnuss. Der hat angeblich eine ähnliche Frisur wie ich und es verdient, zum Lama ehrenhalber ernannt zu werden, weil er vor dreiundzwanzig Jahren mit seinem Welthit 'Looking For Freedom' die Berliner Mauer niedergesungen hat.

Lass Dich nicht verstrahlen!
Gruß und Kuss Kusskuss.

Picture Postcards From L.A.? Lama zurück auf den touristischen Pfaden einer vielleicht niemals endenden Weltreise? Moment mal! Wanne-Eickel? Warum behauptet dieser ominöse Quiqueg, der Schabrackentapir, eigentlich, er käme aus Wanne-Eickel? Ist er nicht eigentlich der Thronfolger eines borneotischen Schabrackenkönigs?

Diese Postkarten machen mir Kopfschmerzen

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Friday, February 24, 2012

Kennen Sie BIELEFELD...?


Was ist denn das? Kaum habe ich meinen PC eingeschaltet, da wird auch schon der Bildschirm schwarz. In einem giftigen Grün erscheinen ein Kleiner-als-Zeichen und ein Doppelpunkt sowie ein grünes, blinkendes Rechteck im oberen Drittel. Dann flitzt das Rechteck nach rechts – Hat es vielleicht daher seinen Namen? – und springt schließlich in die nächste Zeile, wobei es eine Reihe von Zahlen hinterlässt.

>: 4 8 15 16 23 42 [EXECUTE]

>: Bromford? Bromford? Bromford? [EXECUTE]

Ich hasse es, wenn etwas versucht, mit mir in Kontakt zu treten, ohne dass ich es sehen kann. Mit anderen Worten:

Trau' nie etwas, das selbst denken kann, wenn Du nicht sehen kannst, wo es sein Hirn hat!

Von welchem weisen Mann stammen diese Worte? Oder welche weise Frau hat sie ihm in den Mund gelegt? Und warum ruft mein PC meinen Namen grün auf schwarz?

>: Bromford? Kannst Du mich lesen? [EXECUTE]

|: []

Ein anderes Symbol erscheint auf dem Bildschirm. Ein senkrechter Strich, wieder ein Doppelpunkt und erneut ein grünes Rechteck, das mich herausfordernd anblinkt. Soll ich etwas tippen?

|: Lama? Bist Du das?

>: Press [EXECUTE]! Press [EXECUTE]! [EXECUTE]

[EXECUTE]? Meine Windows-Tastatur hat aber keine [EXECUTE]-Taste!

>: Jetzt stell Dich nicht so an, Du…, Du…, Du Zweibeiner! [EXECUTE]

|: Lama? Bist Du das? [EXECUTE]

>: Mein Gott, jetzt hat er's! Mein Gott, jetzt hat er's! [EXECUTE]

|: Wo bist Du? Und wie schaffst Du es, mir diese Nachrichten auf meinen PC zu schicken? [EXECUTE]

>: Gute Fragen, naechste Frage! John Locke hat da diese Luke entdeckt, und die haben wir mit dem angegammelten Dynamit aus der Black Rock aufgesprengt. Darunter war diese Station mit diesem langhaarigen Schotten namens Desmond, der alle 108 Minuten diese Zahlen in einen Computer eingeben musste, um die Welt vor dem Untergang zu retten. [EXECUTE]

|: Moment mal! John Locke? Etwa der John Locke, der mal im Apartment 4 im zweiten Stock in der Whitaker Lane 666 gewohnt hat, bevor er vor etwa einem Jahr mit Flug 316 der Ajira Airways verschwunden ist? [EXECUTE]

>: Immer ruhig mit den jungen Pferden! Das ist doch alles noch Zukunftsmusik! Zurzeit sprechen wir doch eher von Flug 815 der Oceanic Airlines. Aber ja, ich kenne Deinen Blog und Deine Aktion vor Weihnachten 2010. Und noch einmal ja, es ist genau der John Locke, der damals im Haus irgendwo weit unter Deinem Penthouse wohnte. Und nicht nur der ist hier. Da sind noch mehr ehemalige Bewohner der Whitaker Lane 666. Hugo Reyes, Kate Austen, James Ford, Sayid Jarrah, Sun und Jin Kwon und sogar dieser durchgeknallte Arzt Dr. Jack Shepard. Hatte ich nicht geschrieben, dass mir die Leute am Check-In Sydney alle irgendwie bekannt vorkamen? [EXECUTE]

|: Und was ist mit Frank Lapidus, dem Piloten? Ist der auch da? [EXECUTE]

>: Zukunftsmusik, Bromford! Zukunftsmusik! Noch ist er nicht hier, weil er den Flug 815 verpasst hat und an seiner Stelle ein anderer Pilot geflogen und spaeter vom Rauchmonster zerschmettert worden ist. [EXECUTE]

Mir dreht sich alles. Macht das alles noch irgendeinen Sinn? Wovon schreibt das Tier? Ist es überhaupt das Lama, das da schreibt? Wie kann ich mir da sicher sein? Aber all diese Namen? Woher kenne ich sie? Sind das wirklich die ehemaligen Nachbarn aus diesem Hochhaus? Kenne ich diese oder eine ähnliche Geschichte nicht aus dem Fernsehen? Will ich überhaupt Antworten auf meine Fragen, wenn jede Antwort nur zu neuen Fragen führt?

|: Und Du bist jetzt in dieser Station unter dieser Luke, die ihr gesprengt habt? Und wo hat John Locke diese Luke entdeckt? Seid ihr in Los Angeles? [EXECUTE]

>: Ja und Nein und Keine Ahnung! [EXECUTE]

|: Antworten auf meine Fragen in der Reihenfolge? [EXECUTE]

>: Jede Antwort führt nur zu neuen Fragen! [EXECUTE]

Der Paarhufer macht mich fertig!

>: Wir waren nach unserem Start in Sydney etwa sechs Stunden ohne Zwischenfaelle in der Luft. Gut, dem Schabrackentapir wurde etwas uebel und er hat den ganzen Vorrat an Spucktueten aufgebraucht, schon in den ersten fuenf Minuten nach dem Take-Off. Und dass er sie aufgebraucht hat, hat die anderen Passagiere gegen ihn aufgebracht. Fuer den Rest der Reise wollte sich Quiqueg in einem dieser Getraenke-Trolleys der Stewardessen verstecken, aber irgendwie konnte er keinen in Schabrackentapir-Groesse finden, nicht mal in der ersten Klasse. Wie dem auch sei, etwa nach sechs Stunden Flug bekam das Flugzeug scheinbar Probleme mit der Funkverbindung. Der Pilot beschloss, umzukehren, um in Richtung Fidschi zu fliegen, aber ungefaehr zwei Stunden spaeter geriet der Flieger in ungewoehnliche Turbulenzen. Er begann zu sinken und brach dann mitten in der Luft auseinander. Der hintere Teil brach zuerst ab und stuerzte ins Meer. Nur Momente spaeter stuerzten das vordere Cockpit-Teil und der mittlere Teil auf diese seltsame Insel. [EXECUTE]

|: Ihr seid mit dem Flugzeug abgestuerzt? Auf eine Insel im Pazifik? [EXECUTE]

>: Ja, und? [EXECUTE]

|: Lama! Ihr seid mit dem Flugzeug abgestuerzt! Auf eine Insel im Pazifik! [EXECUTE]

>: Es gibt Schlimmeres, glaub' mir! Hunger, zum Beispiel. Teilweise haette ich mir fast gewuenscht, kein Vegetarier zu sein. Dann waere ich vielleicht zusammen mit den anderen 48 Ueberlebenden – oder waren es die anderen 48 Tage? – auf die Idee gekommen, Quiqueg, meinen heidnischen Schabrackentapirfreund ueber einem offenen Feuer zu grillen. [EXECUTE]

|: IHR HABT QUIQUEG GEGESSEN??? [EXECUTE]

>: Nein, Wildschweine, die John Locke mit seiner beeindruckenden Messersammlung im Dschungel gejagt und erlegt hat. Aber nachdem wir den Schotten Desmond und seine Schwan-Station unter der Luke entdeckt hatten, stellten wir fest, dass eine geheimnisvolle Dharma-Initiative schon seit mehr als 30 Jahren Fresspakete ueber der Insel abwirft. Seitdem ernaehren wir uns hauptsaechlich von Apollo-Schokoriegeln und Erdnussbutter! [EXECUTE]

Mein Blick fällt auf die leeren, blauen Schokoriegel-Verpackungen neben meinem Schreibtisch.

|: Dharma-Initiative? Nie gehoert! Wo zum Teufel seid ihr? Wo liegt diese Insel? [EXECUTE]

>: Gute Fragen, naechste Frage! Aber wir sind eigentlich auch gar nicht mehr auf dieser seltsamen Insel mit ihren kilometerlangen, weissen Straenden, ihrem verregneten Dschungel und ihren hohen Bergen. Irgendwann, nach einem weiteren vergeblichen Versuch, die Insel mit seinem Segelboot zu verlassen, hatte dieser Desmond keinen Bock mehr, alle 108 Minuten diese seltsamen Zahlen in diesen total veralteten Computer einzugeben, den es in dieser Schwan-Station unter der Luke gab. Oder doch? Keine Ahnung. Jedenfalls hat er sich mit John Locke im Computerraum verbarrikadiert und abgewartet, bis der Countdown zum Eingeben der Zahlen verstrichen war. Angeblich hat John Locke sogar den Computer zerstoert, um zu beweisen, dass die Eingabe der Zahlen nur ein psychologisches Experiment war und nicht dazu geeignet, irgendeine elektromagnetische Anomalie am Ausbruch zu hindern. Am Ende flogen alle metallischen Gegenstaende in der Schwan-Station durch die Gegend und blieben magnetisch angezogen an diesem Betonkern haengen, der das Innere der Anlage umschliesst. Und nachdem Desmond ein verborgenes Sicherungssystem betaetigt und damit eine Entladung der elektromagnetischen Kraft ausgeloest hatte, implodierte die Schwan-Station und wurde vollstaendig zerstoert. [EXECUTE]

Ich schließe den Kopf und schüttele die Augen. Oder umgekehrt? Was schreibt denn das Tier da? Das hat doch alles keinen Sinn! Ich schreibe nicht 'Das macht doch keinen Sinn!' weil das nur eine weitere eingedeutschte Redewendung aus der englischen Sprache ist. Does it make sense? Aber nichts hält das Lama auf, mir weitere kryptische Botschaften auf den Bildschirm zu tippen.

>: Ein stark blendendes, weisses Gluehen umfasste die ganze Insel waehrend der Entladung. Der Himmel faerbte sich in einer merkwuerdigen violetten Farbe. Die Erde bebte wie bei einem Erdbeben. Ein schmerzhafter Ton war zu hoeren. Und mir vibrierten die Zaehne. Dann waren wir ploetzlich in BIELEFELD! [EXECUTE]

BIELEFELD? Ein Aufschrei hallt durch meinen Kopf und bringt meinen ganzen Körper in ungesunde Schwingungen. BIELEFELD gibt es nicht! Niemand kennt BIELEFELD! Niemand kennt jemanden aus BIELEFELD! Oder jemanden der jemals nach BIELEFELD gezogen wäre. Seh'n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh'n wir uns in BIELEFELD! Alle Straßen von und nach BIELEFELD enden im Nichts oder vor einer Vollsperrung. Alle Baumaßnahmen in und um BIELEFELD sind dazu verdammt auf ewig unvollendet zu bleiben. Niemand vermag die Verschwörungen zu zählen, deren Aufgabe es ist, die Nichtexistenz BIELEFELDS zu verschleiern. SIE sind überall und sehen ALLES!

>: Ich weiss, was Du denkst! BIELEFELD gibt es doch gar nicht! Aber wenn ich nicht in BIELEFELD bin, wo bin ich dann? [EXECUTE]

Woher will das Lama wissen, was ich denke? Gehört es etwa zu IHNEN. Oder gehört es inzwischen zu den ANDEREN?

>: Da war dieses violette Endladung und jetzt sind mein Freund Quiqueg und ich in diesem Keller in BIELEFELD und muessen alle 108 Minuten diese ominoesen sechs Zahlen in diesen total veralteten Computer eingeben, mit dem ich gerade im Chat-Modus mit Dir chatte. All die anderen Passagiere von Oceanic-Flug 815 und all die anderen mehr oder weniger geheimen Bewohner der mysterioesen Pazifik-Insel sind verschwunden oder in die Vergangenheit katapultiert worden. Quiqueg ist fest davon ueberzeugt, dass wir hier in der BIELEFELD-Station der Dharma-Initiative sind, und nun unseren Beitrag dazu leisten, die Welt zu retten. Wir beschuetzen jetzt nicht nur das Herz der Insel sondern das Herz der ganzen Welt. Wusstest Du, dass all diese Strassenschilder, all diese Umleitungen und all diese fest installierten Radarfallen-Blitzer in und um das angebliche BIELEFELD nur dazu dienen, moeglichst viele Menschen und Autofahrer zu katalogisieren, um moegliche Kandidaten fuer die Nachfolge Jacobs zu finden? Jacob kennst Du doch, oder? Jacob und seinen Bruder Wilhelm Grimm – The Brothers Grimm – aus Kassel bei Frankfurt? Sie sind auch in die Vergangenheit gereist, um den Vorfall zu verhindern, der den Vorfall in der Zukunft ausgeloest haben wird. [EXECUTE]

Vorfälle? BIELEFELD? Vorfälle? BIELEFELD? Vorfälle? BIELEFELD?

Ich muss mir dringendst einen Schutzhelm aus Aluminiumfolie basteln, um diese negativen Gedankenstrahlen von meinem Gehirn fernzuhalten. Ist BIELEFELD das deutsche Roswell? Die Area 51 von Ostwestfalen-Lippe? Wer ist Dr. Oetker? Ein außerirdischer Konzern, der versucht, mit seinen Backmischungen, die Menschheit zu versklaven und die Weltherrschaft an sich zu reißen?

>: Bromford? Bist Du noch da, Bromford? Quiqueg und ich haben den Alarm ueberhoert! Die Anzeige des Zahlencountdowns ist verschwunden. Da klappen keine Zahlen mehr um. Da sind nur noch diese roten Hieroglyphen! Und eine Wand hat sich gehoben, von der wir nicht wussten, dass sie beweglich ist. Da hinter ist ein Tunnel, und am Ende des Tunnels ein wunderschoenes, goldenes Licht! Bromford! Es zieht mich zu diesem Licht! Mutter, ich komme! [EXECUTE]

Nein, hauche ich. Nicht in das Licht gehen! Denk' an den Mann in Schwarz und das Rauchmonster, das aus ihm geworden ist!

>: … 4 … 8 … 15 … 16 … 23 … 42 [EXECUTE]

Der Bildschirm ist wieder schwarz, und so sehr ich auch in die Tasten haue, es erscheinen keine weiteren grünen Zeichen oder Botschaften. Nach einer Weile bemerke ich, dass der Stecker des Stromkabels neben der Steckdose liegt und mein Computer schon seit längerer Zeit ohne Stromversorgung gewesen sein muss.

Seh'n wir uns nicht in dieser Welt, dann seh'n wir uns in BIELEFELD!

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Monday, February 20, 2012

Oceanic 815…


Lieber Brumford,

ist das eigentlich Dein echter Name? Oder hatten wir diese Frage schon einmal? Bist Du eigentlich noch in der Reihe? Wo warst Du letzten Montag? Warst Du etwa von der Linie?

Schade, ich hätte sehr gern eine neue Postkarte von mir gelesen, aber stattdessen muss ich sie nun wieder selber schreiben. Na, dann…

Möchtest Du raten, wo ich gerade bin?

Möchte ich das? Aber allzu schwer ist es diesmal wirklich nicht. Das Lama grinst dümmlich unter einer riesigen Sonnenbrille hervor.
Im Hintergrund steht ein imposantes Gebäude an der Waterkant, dessen Dach sich dreigeteilt in einen wolkenlosen Himmel erhebt. Es soll an die geballten Segel eines Segelschiffes erinnern, habe ich irgendwo gehört oder gelesen, aber mich als alten Star-Trek-Seriengucker erinnert es gleichzeitig auch an den Hut eines Bajoranischen Vedeks. Fehlt nur noch ein großes, baumelndes Ohrgehänge.
Aber ich schweife ab.
Das Lama steht in der prallen Sonne und unter dem strahlend blauen Himmel vor dem unverkennbaren Opernhaus von Sydney, Australien.
Können Lamas eigentlich Sonnenbrand bekommen? Sieht fast so aus.

Ich stehe in der prallen Sonne und unter dem strahlend blauen Himmel vor dem Opernhaus von Sydney, Australien. Ist doch unverkennbar, oder?

Ach was, denke ich und verziehe den Mund.

Australien, das ist und war wie Nachhausekommen, könntest Du denken, aber dann würde Dir vielleicht doch wieder einfallen, dass ich nicht das kommunistische Känguru des Marc-Uwe Kling sondern ein Lama ohne Pyjama bin und nicht aus Yokohama. Wo ist das eigentlich? Aber ich schweife schon wieder ab.

In der Tat, denke ich und verdrehe die Augen.

Quiqueg, mein Heidenfreund, das thronfolgende Schabrackentapir, hatte einen fürchterlichen Streit mit seinem Vater, dem König der Schabrackentapire, in dem es seltsamerweise um die Thronfolge des borneotischen Schabrackentapirkönigreiches ging. Der eine konnte nicht mehr König werden wollen, weil der andere noch nicht mehr König gewesen sein werden sollen tat. Jedenfalls so in die Richtung.

Am Ende klemmte mich Quiqueg unter seine starken Vorderarme und schleifte mich in unser kleines, chinesisches Kopieflugzeug.

Sein Vater brüllte uns noch hinterher: "There Will Be Kings! Kings Of Convenience, Kings Of Leon and Flower Kings! Denkt an meine Worte!"

Dann zogen wir schon wilde Zick-Zack-Kurse über Urwälder, Inseln und jede Menge Ozean. Schließlich verzogen wir uns über jede Menge trockenes, rötliches Land.

Irgendwo über dem Ayers Rock hatten wir uns dann schließlich endgültig verflogen. Uns ging erst der Sprit aus, dann der Motor des Kleinflugzeuges, und schließlich mussten wir notwassern. Dumm nur, dass es auf dieser riesigen Gefängnisinsel so gut wie kein Wasser gibt!

Wir notlandeten also im staubigen, roten Sand und hätten die "ChessNut", unser Plagiatflugzeug Made in China vielleicht noch am Stück retten können, wäre es nicht von einer wilden Horde tasmanischer Teufel in seine Einzelteile zerlegt worden. Und glaub' mir, ich habe keine Ahnung, ob ich hier von diesen Beuteltieren schreibe, von denen ich nicht einmal weiß, ob sie wirklich welche sind und ob sie überhaupt etwas so weit im Norden zu suchen haben, oder von irgendeiner Verbrecher- und Vandalen-Gangsterbande gleichen Namens. Vielleicht waren es auch Wombats. Keine Ahnung!

Wie dem auch sei, Flugzeug kaputt, machten wir uns zu Fuß auf den Weg zur nächsten menschlichen oder sonstigen Ansiedlung von Lebewesen. Aber Menschen scheint es hier wenige zu geben auf dem roten Kontinent. Kängurus übrigens auch nicht viele. Stattdessen ist hier alles voller Kaninchen und das trotz Rabbit-Proof-Fence, an dem, wir lange entlang wanderten.

Irgendwann trafen wir dann auf Marlin, einen mittelalten Mann in orange-weißen Klamotten mit schmalen schwarzen Streifen und Ärmeln, die aussahen wie Fischflossen, und seine leicht debile Freundin Dory, die auf der Suche nach Marlins Sohn Nemo waren. Dieser wurde offenbar von einem Titanen und ehemaligen Fußballtorwart namens Noonien Singh Khan in das quadratische Designerhaus eines Zahnarztes namens P. Sherman, 42 Wallaby Way, Sydney, verschleppt.

Und nach etlichen Irrungen und Wirrungen kamen wir schließlich auch wirklich bei dieser Adresse und Zahnarztpraxis an. Das ist vielleicht ein Glaskasten! Das reinste Aquarium, sage ich Dir! Aber die Geschichte war mir dann zu verwirrend, zu düster und mit zu viel Information. Also frag' mich nicht, wie sie ausgegangen ist. Ich glaube, Nemo, der verschleppte Sohn, baute sich noch ein U-Boot namens Nautilus und fuhr damit zum Mittelpunkt der Erde und in 80 Tagen um die Welt, mit wem oder ohne wen auch immer.

Aber eine weitere Reisebekanntschaft war vielleicht doch wichtiger. Unterwegs im sogenannten Ostaustralischen Strom trafen wir noch einen dicklichen Typen wie eine Riesen-Wasserschildkröte namens Hurley, der immer und alle 'Dude!' nennt. Der Typ scheint im Lotto gewonnen zu haben, denn er schenkte uns einfach so zwei Flugtickets. Und so fliegen wir gleich, also noch heute oder in wenigen Augenblicken, mit dem Flug Oceanic 815 von Sydney nach Los Angeles, wo wir dann auf dem Flughafen LAX landen werden.

Doch habe ich irgendwie kein gutes Gefühl dabei. Warum muss ein Flughafen wie ein Speisefisch heißen? Und wer sind all diese merkwürdigen Gestalten hier am Check-In? Wer ist der glatzköpfige Mann im Rollstuhl? Der Typ im Anzug? Die hübsche Frau mit dem grimmigen Typen neben sich, die ihre Hände so eigenartig unter ihrer Jacke verborgen hält? Der langhaarige Iraker? Das koreanische Ehepaar? Die schwangere Blondine? Irgendwie verschwimmt alles in einem dunklen Rauch.

Aber ich muss nun los. Ich melde mich aus den Verteidigten Staaten von Amerika, Los Angeles, der Stadt der Enkel und Hollywoodstars, sobald wir im Lachs gelandet sind.

Lass Dich nicht aufweichen!
Gruß und Kuss Kusskuss.

Déjà-Vus. Lauter Déjà-Vus. Immer und immer wieder. Irgendwie kommt mir das alles bekannt vor, wie viel zu viele Flashbacks, Flashforwards und Flashsideways…

Ob sie Lama und Schabrackentapir in den Frachtraum gesperrt haben? Gibt es so große Tiertransportboxen?

Guten Flug, denke ich und knabbere gedankenverloren an einem Schokoriegel der blauen Marke Apollo.

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Tuesday, February 07, 2012

Mehr Schiffsverkehr…

Die Kältewelle reißt einfach nicht ab. Minusgrade seit über einer Woche. Die Eisbrecherboote sind Tag und Nacht im Einsatz. Sie tuckern den Fluss hinauf und hinunter, unter der Bromford Bridge hindurch, um den Wasserweg zum Hafen eisfrei zu halten – mit eher mäßigem Erfolg.

Die Fähre nach Kirren Island, der kleinen Insel mit dem Luxushotel in der Bucht vor Bromford, hat ihren Verkehr eingestellt. Sie liegt eingefroren am Rande des Hafens und wartet auf wärmeres Wetter.

Die Dächer Bromfords glitzern vom Frost und Raureif, denn Schnee gibt es in diesem Winter kaum.

Ich ziehe den Schal enger um den Hals und kuschele mich in meine warme Wolldecke. Seufzend nippe ich an meiner heißen Milch mit Honig.

Ach ja, da ist ja noch die neuste Botschaft jenes untreuen Paarhufers…

Servus, Bibblius!

Die Kälte hat ein Ende!!!

Was es nicht sagt, das alte Kamel!? Ich schnaube empört in meinen Milchbart und lese weiter.

Wusstest Du, dass Schabrackentapire Schabrackentapire heißen, weil der breite, weiße Streifen auf ihrem Rücken an einen Überwurf erinnert, den man im Reitsport als Schabracke bezeichnet? Und wusstest Du auch, dass der Schabrackentapir die einzige der vier Tapirarten ist, die in Südostasien beheimatet ist? Also ist Quiqueg, mein Heidenfreund, in Wahrheit gar kein südamerikanischer Landsmann, sondern ein entfernter Nachbar aus dem Südosten Asiens.

Und wusstest Du ferner, dass Schabrackentapire eher allergisch auf Kälte und Schnee reagieren? Nach nur wenigen Minuten in dieser Gletscherspalte im Himalaya - was übrigens eine Spalte in einem Gletscher ist - fing Quiqueg plötzlich an zu bibbern und zu zittern, bis er jede Farbe verloren hatte und mit einem Mal vom Rüssel bis zum Schwanz weiß war. Keine Spur mehr von einem schwarzen Kopf und Hinterteil.

Zum Glück kamen in diesem Moment Reinhold M., der Yeti und seine Außenminister-Trägerin Hillary Edmund-Percival zurück und zogen uns aus der Gletscherspalte, die übrigens eine Spalte in einem Gletscher ist, oder so.

Sie brachten uns dann zurück zu unserem Sportflugzeug, das sie inzwischen mit Flugbenzin aus ausgekochter Yak-Milch vollgetankt hatten.

Quiqueg hatte den Rüssel gestrichen voll und wollte nur noch nach Hause zu seiner Schabrackentapirfamilie. Also flogen wir los in Richtung Südosten mit unserem Miniflugzeug, das unterwegs einige Male seltsam vor sich hin blökte und muhte. Ich schwöre es!

Schabrackentapire sind in Südostasien beheimatet, wusstest Du das? Ihr heutiges Verbreitungsgebiet erstreckt sich vom Süden Myanmars und dem westlichen Thailand über die Malaiische Halbinsel bis zur Insel Sumatra. Unbestätigte Sichtungen gibt es unter anderem aus Kambodscha und von der Insel Borneo.

Dies ist der Rest eines einst viel größeren Verbreitungsgebiets, das sich vom Süden Chinas über ganz Südostasien erstreckte und auch die Insel Borneo umfasste. Da der Schabrackentapir in diesen Ländern schon vor mehreren Jahrtausenden ausstarb, ist umstritten, ob menschliches Zutun für diesen Schwund des Verbreitungsgebiets verantwortlich ist oder nicht. Habe ich jedenfalls irgendwo gelesen.

Aber jetzt sind wir tatsächlich auf der drittgrößten Insel der Welt und besuchen das Schabrackentapirkönigreich, in dem Quiqueg, mein Heidenfreund, nach eigenen Angaben der Thronfolger ist. Es liegt verborgen in der Mitte der Insel Borneo, tief versteckt im dichten Urwald. Hier ist es feuchter und schwüler als in jedem Tropenschwimmbad oder jeder Reptilienhalle in jedem Zoo, in dem ich je gewesen bin.

Aber Quiqueg tut es offensichtlich gut. Er hat bereits deutlich mehr Farbe als noch vor einer Woche, erstrahlt wieder im hellsten Schwarz und Weiß.

Aber wenn ich noch mehr Tampoi Belimbings, Mangosteens, Dukus und Langsats oder Longans und Durians zu fressen bekomme, dann bekomme ich bestimmt noch Fruchtzucker!

Ich hoffe, Du schwitzt nicht genauso viel wie ich in diesem Saunaklima.

Gruß und Kuss Kusskuss!


Ich glaube, ich habe die Karte des Lamas gar nicht richtig gelesen. Borneo? Was weiß ich über Borneo? Was muss ich über Borneo wissen? Und auf dem Foto der Postkarte ist außer üppigem, grünen Urwald nur ein verschwommener brauner Fleck zu sehen, der mit sehr viel Fantasie das Fell des Lamas sein könnte.

Heute ist Charles Dickens zweihundertster Geburtstag.
"Bitte, Herr, ich möchte noch etwas mehr", geht es mir durch den Kopf. Aber wer hat das nur gesagt? Wer war nur durch die katastrophalen Zustände in einem Waisenhause dazu gezwungen, um mehr Nahrung zu bitten, und wurde schließlich eine Woche lang in den Kohlenkeller gesperrt? War das David Copperfield? Oder Ebenezer Scrooge? Oder doch Oliver Twist? Und was haben Horst und Frank mit all dem zu tun?

Die heiße Milch ist kalt. Mir dröhnt der Schädel von den lärmenden Eisbrechern. Ich will mehr Schiffsverkehr, denke ich noch.

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Wednesday, February 01, 2012

Zähneklappern…

Bromford, oh Bromford!

Es ist ja soooooooooooo schrecklich kalt! Ich kann gar nicht so viel frieren, wie ich mit den Zähnen klappern möchte! Und ich spüre meine Daumen nicht mehr! Bromford, wo sind meine Daumen?

Du hast gar keine Daumen, Du dusseliger Paarhufer, denke ich kopfschüttelnd. Hast nie welche gehabt, zum Donnerdrummel! Dann lese ich weiter.

Der Reinhold M., das alte Yeti, behauptet, damals am Nanga Parbat in Kaschmir wäre alles noch viel, viel kälter gewesen. Und Quiqueg, mein heidnischer Schabrackentapirfreund meint, ich soll mich nicht so anstellen mit meinem dicken Fell. Und ich habe keine Ahnung, wo wir sind!

Wir haben das Flugzeug vor der Yetihöhle vom Reinhold geparkt und sind dann mit ihm und seiner Trägerin Hillary Edmund-Percival, der Außenministerin der Vereidigten Staaten von Irgendwas, zu einer kleinen Bergwanderung mit Picknick aufgebrochen. Vom Mount Everest soll man eine fantastische Aussicht haben, hat der Reinhold gesagt, aber schon nach wenigen hundert Metern haben wir ihn und Hillary verloren. Was ist eigentlich eine Gletscherspalte?

Und jetzt ist um uns alles kalt und weiß und bald ganz schön dunkel. Ich kann gar nicht so viel zittern, wie meine Zähne frieren wollen, oder so.

In Bromford würden wir es wohl sibirische Kälte nennen. Und wie nennen wir es hier? Chinesische Kälte? Tibetische Kälte? Pakistanische Kälte? Schnurz-piep-egal! Kalt bleib kalt.

Und wenn Quiqueg nicht bald mit meinem heißen Grog um die Ecke kommt, dann gehe ich allein zurück an die Hotelbar! Das hat er dann davon.

Halt Dich warm! Trag' immer Deine Mütze! Denn 50 Prozent der Körperwärme gehen über den Kopf verloren.

Gruß und Kuss Kusskuss!

Tja, am Fotomotiv der Postkarte kann ich leider auch nicht erkennen, wo sich das Lama gerade aufhält, denn diese Seite der Postkarte ist komplett weiß. Vielleicht die Nationalflagge von Absurdistan? Weißer Adler auf weißem Grund?

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…