Friday, January 27, 2012

Lamas unter sich…

Vor einem stahlgrauen Himmel und einer Kette von schneebedeckten Berggipfeln erhebt sich ein altes Gemäuer mit vielen Türmchen und Erkern in die klare Luft. Bunte Fähnchen und Bänder flattern im Wind, und das Gebäude scheint direkt aus dem Stein gemeißelt zu sein, auf dem es steht.

Davor grinst das Lama mit seinen beiden beeindruckenden Zahnreihen direkt in die Kamera. Es trägt eine dunkle, schwarze Schweißerbrille vor den Augen und eine mit Fell gefütterte Kapuze eng um den Kopf gezogen. Sein Atem kondensiert vor seinem Maul, während es vor sich zwei Daumen zu einer positiven Geste hochhält, obwohl es eigentlich gar keine Daumen hat.

HIM ALA JA!

hat es in dicken, schwarzen Großbuchstaben mit einem breiten Filzstift quer über die Fotopostkarte geschrieben.

Und ich habe meine neuste Angewohnheit schon wieder abgelegt und diesmal zuerst das Motiv der Postkarte angeschaut, bevor ich den Text lese:


How You Do'n, Bibbleford?

Ich bibbere in einem fort. Ha, ha, ich lach' mich tot!

Quiqueg, das Schabrackentapir, und ich sind nun wieder die Herren der Lüfte. Es ist uns gelungen, eins von diesen nachgebauten Propellerflugzeugen vom Parkplatz vor dieser geheimen Fabrik im Norden des Landes zu… Ähm, wie sage ich das am besten? Wie drücke ich das nur aus?… Es ist uns gelungen, uns eine von diesen nachgebauten 'ChessNuts' auszuleihen.

Wir haben dann mal eben eine kleine Spritztour von etwa 3.600 Kilometern gemacht und sind schließlich hier in der Heimat der Tibetischen Lamas gelandet.

Was hatte ich mich darauf gefreut, endlich wieder unter Gleichartigen zu sein, endlich in den Schoss der Familie zurückkehren zu können!

Doch stell' Dir meine Überraschung vor, als wir endlich der ersten kleinen Gruppe dieser sogenannten 'Lamas' begegnet sind. Allesamt Hochstapler, diese Mönche! Zweibeiner in roten Wickelgewändern mit komischen Hüten auf dem Kopf, die aussehen wie eine Mischung aus gelbem Hahnenkamm und halbierter Sonnenscheibe. Und meine Sprache sprechen die auch nicht! Oder habe ich da schon wieder irgendwas verwechselt? Oder warst Du das?

Lustig sind sie jedenfalls, diese Tibetischen Lamas. Kichern die ganze Zeit hinter ihren großen Brillengläsern, während Quiqueg versucht, den Dolmetscher zu spielen.

Aber ich bezweifele, dass er wirklich die Sprache dieses Landes spricht. Ständig übersetzt er Warnungen vor einer 'gelben Gefahr' oder einer 'roten Macht'.

Aber ich sehe hier kein Gelb oder Rot, nur Schwarz-Weiß, das von Quiqueg nämlich, der neuerdings behauptet, er sei ein Zebra nur mit weniger und breiteren Streifen. Wobei sich bei ihm auch die Frage erübrigt, ob er weißes Fell mit schwarzen Streifen oder schwarzes Fell mit weißen Streifen hat, wenn Du mich fragst.

Aber glaub' diesem Rüssel kein Wort!

Vielleicht besuchen wir morgen noch einen Yeti namens Reinhold M. Und vielleicht spricht der die Sprache der Lamas.

Bis dahin…
Gruß und Kuss Kusskuss!


Das Lama in Tibet? Auf der Flucht vor der chinesischen Staatsgewalt? Was geht da nur mit wem durch?

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Monday, January 23, 2012

Hallo, Herr Kaiser!

Fast eine Woche nichts vom Lama gehört und dann diese Nachricht, die mich den Wahrheitsgehalt des Reiseberichts oder zumindest die Genauigkeit der zeitlichen Abfolge doch sehr bezweifeln lässt:

Ho, Bromford!

'Kaputin', der alte Suffkopf, hat die 'Chestnut' und Quiqueg, meinen Schabrackenfreund beschlagnahmt. Nach einer weiteren durchzechten Nacht hat er Quiqueg zwar wieder laufen lassen, aber das Flugzeug hat er behalten. An einen Weiterflug ist somit nicht zu denken.

Stattdessen hat er uns zusammen unter strengster Bewachung in ein Abteil der 'Transskripirischen Eisenbahn' gesperrt. Nach einer Reise von sechs Tagen bei Wasser und Brot durch endlos öde Landschaften mit unzähligen Zwischenstopps und Aufenthalten in mehr oder weniger großen Städten waren wir endlich in 'Waldiwostok'.

Keine Dackel, großer Hafen, viele Schiffe, aber wir haben uns ein Taxi genommen und sind entlang einer wirklich Großen Mauer in die Hauptstadt eines Nachbarlandes gefahren.

Apropos Mauer: Zu Beginn meiner Reise haben sie uns irgendwo in der Nähe von 'Madame Tussis' erzählt, sie hätten die Mauer 1989 niedergerissen mit einer friedlichen Revolution. Das halte ich für ein Gerücht, denn die Mauer ist immer noch da. Ich habe sie gesehen. Und hier ganz tief im Osten ist sie viel breiter und dicker als in der Stadt mit dem Børen und dem Köpenicker Känguru.

In der großen Hauptstadt des Nachbarlandes gibt es übrigens viele Garküchen. Und ich möchte nicht wissen, was da so alles im heißen Fett vor sich hin brutzelt. Besonders mein Heidenfreund Quiqueg wurde immer wieder zum Essen eingeladen, ob als Ehrengast oder Hauptgericht, weiß ich allerdings nicht.

Wir sind schließlich in die 'Verbotene Stadt' geflüchtet und haben uns die Ausstellung im 'Palast der himmlischen Klarheit' und den 'Hallen der Harmonie' angeschaut. Für meinen Geschmack alles etwas zu folkloristisch und touristisch aufgezogen, wenn Du mich fragst. Und die vergoldeten Schriftzeichen alle in einer Krakelklaue, die kein Schwein, geschweige denn ein Lama, lesen kann.

Und Herrn Kaiser, den letzten Mitarbeiter der 'Hamburg-Ranschleimer', der hier angeblich wohnen soll, haben wir auch nicht zu Gesicht bekommen. Dabei haben wir nicht aufgehört, ihn zu rufen:

HALLO, HERR KAISER !!!

Ach, noch was: Auf dem Weg hierher haben wir eine geheime Fabrik entdeckt. Rate mal, was die da bauen! Oder sollte ich sagen 'nachbauen'? Quiqueg hat fast geweint vor Glück, als er all die kleinen Sportflugzeuge auf dem Parkplatz vor der Werkshalle sah. Die heißen hier zwar 'ChessNut' statt 'Chestnut', fliegen aber bestimmt ganz genauso weit und schnell. Morgen trampen wir da hin und besorgen uns so ein Propellerflugzeug. Dann sind wir endlich wieder die 'Piraten der Liebe… äh… Lüfte'.

Mit gelblichen Grüßen oder
Gruß und Kuss Kusskuss,
Dein Lamafreund aus Eickel-Wanne.


Das Lama nach einer Reise mit der "Transsibirischen Eisenbahn" von Moskau nach Wladiwostok in Peking, der Hauptstadt der Volksrepublik China? Ich kann es kaum glauben. Obwohl die Postkarte eindeutig das Lama auf einer Treppe vor dem alten chinesischen Kaiserpalast zeigt, auf einem Bein balancierend mit einer Flasche "Báijiǔ", einem chinesischer Hirseschnaps, in den Vorderhufen. Ich frage mich, wo das noch enden soll.

Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Tuesday, January 17, 2012

Kreml-Flieger…


Hi, Bibble!

Wir sind gelandet. Mein Schwager hat's mir erzählt.
Nicht in Nevada. Wir haben auch nicht Deutschland gewählt.

Schon wieder eine Postkarte. Und schon wieder lese ich zuerst den enggedrängten Text bevor ich mir das Fotomotiv auf der Hochglanzrückseite anschaue.

Warum ich das tue? – Keine Ahnung.
Erhöht es die Vorfreude? – Wer weiß.
Steigert es die Spannung? – Vielleicht.
Woher ich weiß, dass die Postkarte vom Lama ist? – Ich erkenne es an der lamartigen Sauklaue und der geschwungenen Unterschrift.
Woher kenne ich nur diese ersten Sätze? Aus irgendeinem Lied?

Ich lese weiter.

Quiqueg, mein Heidenfreund und Schabrackentapir aus Wanne-Eickel hat einen Flugschein, stell Dir vor. Und wir haben uns in einem Tempelhof ein Flugzeug geliehen. Eins von diesen kleinen Propellerdingern, weißt Du. Ich glaube, die heißen 'Chestnut' oder so.
Wir haben dann erst mal vollgetankt. Irgendein Präsident im Stahlgewitter hat uns einige Kanister Flugbenzin aus seiner Flugbereitschaft gepumpt. Und dann sind wir geflogen und geflogen. Mensch, das war vielleicht öde, sage ich Dir. Heidnische Schabrackentapire sind nicht unbedingt die aufregendsten Flugbegleiter, ganz besonders dann nicht, wenn sie aus Wanne-Eickel kommen.
Wir sind dann schließlich mit unserer 'Chestnut' auf irgendeinem Bunten Platz in einer ziemlich großen Stadt gelandet, direkt neben etwas, das sie hier 'Mausolum' oder so ähnlich nennen. Ich habe aber weit und breit keine Mäuse gesehen und statt den sterblichen Überresten eines Revolutionsführers lag in der Hütte nur eine Wachsfigur. Nur eine einzige Wachsfigur wie ich sie von 'Madame Tussis' kenne aus dieser anderen Stadt, wo wir neulich waren. Und diese hier sieht auch noch aus wie Wladimir Iljitsch Uljanow, genannt 'Lenin'. Alles sehr seltsam.
Später hat sich mein neuer Heidenfreund Quiqueg dann noch ein Wässerchen bestellt, das es wirklich in sich hatte, und jemanden namens 'Kaputin', der hier so was wie der Präsident oder so sein will, unter den Tisch getrunken. Und auf einmal war auch das ganze Geschrei von wegen Verletzung der Flugverbotszone und des Luftraums und so vergessen.
Alles, was mir dazu noch einfällt ist: Good Bye Lenin!

Also, halt den Rücken steif und die Ohren gerade!

Gruß und Kuss Kusskuss.

Immer wieder frage ich mich, wie das Lama so viel Text auf Karten unterbringt, die nicht mal die halbe Größe eines DINA4-Blattes haben.

Und da ist wieder das Lama auf der Fotopostkarte. Diesmal schwenkt es eine Wodka-Flasche. Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Stattdessen eine Ziegelmauer, hinter der die bunten Zwiebeltürme einer Basilika aufragen. Wenn das nicht der Rote Platz in Moskau ist, fresse ich einen Besen. Und dort will das Lama mit einem Sportflugzeug gelandet sein? Hatten wir das nicht alles schon mal vor fast fünfundzwanzig Jahren?

Und während ich mich noch frage, ob da wirklich noch immer die Überreste von Lenin in einem Mausoleum aufgebahrt werden und mir vornehme, das einmal genauer zu recherchieren, fällt mir der Name des mutierten Stoffhundes wieder ein – Schlappohr – und ich frage mich, wie ich ihn auch nur kurzfristig und ansatzweise vergessen konnte.

Wednesday, January 11, 2012

Nantucket…

Ich habe heute eine Postkarte bekommen. Sie steckte völlig unerwartet zwischen einem Haufen der üblichen Rechnungen und Werbebroschüren in meinem Briefkasten. Und entgegen meiner sonstigen Gewohnheiten, las ich zuerst den Text, bevor ich mir das Fotomotiv auf der Vorderseite anschaute:

"Lieber Bromford Bibble,

Nennt mich Kusskuss. … Immer wenn ich einen grimmigen Zug um den Mund bekomme, wenn trüber, nieselnder November in meine Seele einzieht, wenn ich mich dabei ertappe, dass ich vor Sarggeschäften stehen bleibe und hinter jedem Leichenzug hertrotte, der mir begegnet; ganz besonders aber, wenn mich die Schwermut so übermannt, dass ich meine ganze moralische Kraft aufbieten muss, um nicht auf die Straße zu gehen und den Leuten regelrecht die Hüte vom Kopf zu schlagen – dann weiß ich: Es ist höchste Zeit, auf dem schnellsten Wege in See zu gehen.

Also befinde ich mich auf dem Weg nach Nantucket, um so schnell wie möglich auf dem nächsten Walfänger anzuheuern. Wobei 'Anheuern' vermutlich das falsche Wort ist, denn auf den Walfängern gibt es keine Heuer. Jeder Mitfahrer wird am Ende der Reise mit einem vorher festgelegten Anteil am Gesamtfang beziehungsweise dessen Erlös entlohnt.

Mach' Dir also keine Sorgen um mich. Für Beschäftigung in den nächsten Monaten ist gesorgt. Und Gesellschaft habe ich auch. Bei mir ist mein neuer Heidenfreund, Quiqueg, das Schabrackentapir aus Wanne-Eickel.

Gruß und Kuss Kusskuss.

P.S. Wusstest Du eigentlich, dass Moby, dieser kahlköpfige Elektromusiker und Soundtüftler der Ur-Ur-Großneffe von Herman Melville, dem Autor des Buches 'Mobbing Nick – Das schwarze Kaninchen' ist? Oder so ähnlich?"


Ich schüttele den Kopf. Jetzt fängt das Lama schon wieder an, alles zu verdrehen. Und außerdem schreibt es den ganzen Anfang von Moby Dick, dem Roman von Herman Melville ab. Und wie bitte bekommt es so viel Text auf eine so kleine Postkarte?

Ich drehe die Karte um.

Das Motiv ist ein Foto mit dem Lama drauf. Es hat die Vorderhufe in die Luft gerissen und schwenkt eine Sektflasche. Und im Hintergrund… Ja, die Wahrzeichen hinter dem offensichtlich betrunkenen Tier kenne ich doch! Das sind die Weltzeituhr mit der komischen Planetenkonstruktion oben drauf und der Fernsehturm am Berliner Alexanderplatz.

"Nantucket!" schnaufe ich. "Hat sich was mit Nantucket! Du bist in der Hauptstadt der Bundesrepublik Deutschland!"

Wie lange dauert es wohl, bis man ein Foto, einen Schnappschuss als Postkarte verschicken kann? Gibt es inzwischen fliegende Postkartenfabrikanten auf dem Alexanderplatz? Von wann ist denn der Poststempel?

Nicht zu erkennen. Total verwischt. Und von einem Schabrackentapir keine Spur…

Monday, January 09, 2012

Stille…

Das Lama ist verschwunden.

Seit Freitag kein laut gedrehter Fernseher mehr, keine Haare in der Badewanne, kein leergefutterter Kühlschrank. Da ist nur noch Stille, wenn ich von des Tages Arbeit nach Hause komme.

Dabei hatte ich gerade begonnen, mich an die Ballermann-Musik zu gewöhnen, die das Tier den ganzen Tag lang spielte, obwohl es bis zuletzt behauptet hat, noch nie auf Mallorca oder in einem dieser Amüsiertempel gewesen zu sein, die es dort angeblich gibt.

In der letzten Woche hat es verstärkt meinen Computer benutzt. Im Internet-Verlauf finden sich lauter Seiten von Reisebüros und Fluggesellschaften, aber auch touristenführende Seiten zu vielen großen Städten auf der ganzen Welt.

Wo ist das Tier? Was hat es vor? Will es eine Weltreise machen?

Zum Glück bin ich mir ziemlich sicher, dass das Lama die Känguru-Chroniken und das Känguru-Manifest von Marc-Uwe Kling nicht gelesen hat. Kann ich mir also sicher sein, dass das Lama kein Asoziales Netzwerk gegründet hat und keine Anti-Terroranschläge plant?

Ich seufze und erinnere mich wehmütig daran, wie gern ich den Paarhufer mit dem Anhören eines symphonischen Soundtracks oder eines Samplers der bekanntesten Klassikstücke genervt habe.

Doch kaum erklingen die ersten Töne des Menuetto: Allegretto aus Wolfgang Amadeus Mozarts Divertimento für Streichertrio in Es-Dur, KV 563, wie es auch im Film Mission Impossible verwendet wird, und zwar in der Szene mit... aber lassen wir das, da vergeht mir auch schon die Lust daran und ich drehe die Stereoanlage ab.

"Lama?" flüstere ich in die Stille. "Wo bist Du nur?"

Tuesday, January 03, 2012

Friedhof der Kuscheltiere...


"Würde diese Überschrift auch mit dem englischen Originaltitel des Stephen-King-Romans funktionieren?" überlegt das Lama laut und kaut andächtig an einem seiner Vorderhufe.

"Das Buch heißt im Original PET SEMATARY, soweit ich weiß. Somit ist der deutsche Titel eventuell etwas irreführend, weil es sich bei den Kuscheltieren, um die es in dem Buch geht, ja eher um Haustiere als um Kuschel-, also im Sinne von Stofftieren, handelt", beginne ich zu dozieren.

"Wobei ich in diesem Zusammenhang auch immer mal wieder Probleme bekomme, die Textzeile

'Sometimes it's not so easy to be the teacher's pet'

aus dem The-Police-Song 'Don't Stand So Close To Me' zu übersetzen. Teacher's pet? Kuscheltier des Lehrers? Der Schüler / - Schrägstrich - / die Schülerin als Haustier des Lehrers?"

Dann halte ich inne.

"Moment mal", sage ich vorsichtig und misstrauisch. "Du hast doch diese Überschrift hier reingeschmuggelt. Warum eigentlich?"

"Deshalb!"




"Was ist das?" kreische ich hysterisch. "Was soll das?"

Das Lama schiebt den Haufen mit Kuscheltieren – diesmal tatsächlich im Sinne von Stofftieren – mit den Vorderhufen über den Wohnzimmerboden.

"Ich habe Dein Penthouse durchsucht", verkündet es bedrohlich. "Und alle platzraubenden Schmarotzer und Parasiten auf einem Haufen versammelt."

Das Lama tritt scheinbar zufällig gegen das Köpenicker Känguru, aber in Wahrheit mit voller Absicht.

"Das sehe ich!" kreische ich noch hysterischer. "Aber warum machst Du so was?"

"Du, mein lieber, erwachsener, in Würde gealterter und weiser Bromford Bibble." Das Tier betont jedes Wort und kommt mit jedem einen Schritt auf mich zu. "Du hast Dir für das neue Jahr vorgenommen, Dich von diesem infantilen Schnickschnack zu lösen und zu trennen."

Nein, das stimmt nicht. Ich bin mir keinesfalls bewusst, einen solchen Vorsatz getroffen zu haben. Und an einen Gedächtnisverlust aufgrund von übermäßigem Alkoholkonsum in der Silvester- und Neujahrsnacht kann ich mich auch nicht erinnern. Ich schüttele abwehrend den Kopf.

"Und jetzt", trumpft das Lama mit lautem Organ auf, "hast Du die Wahl, wie diese Tierchen uns verlassen sollen…"

Es zückt einen mit heißer, blauer Flamme brennenden Bunsenbrenner aus dem Beutel, den es immer über der Schulter trägt.

"Sie werden entweder ein Raub der Flammen…"

Wieder kickt das Huftier das Känguru.

"Oder geschreddert…"

Ein ohrenbetäubender und eingeweideschüttelnder Lärm erklingt, als das Lama aus dem Nebenzimmer einen laufenden Häcksler für Gartenabfälle ins Wohnzimmer zieht.

"Oder…"

Das Lächeln auf den dicken Lippen des Tieres bekommt einen mehr als diabolischen Zug.

"Oder Eisbär, Känguru & Co. lernen Fliegen!"

In Windeseile und Blitzesschnelle hat das Lama die Glastür zur Dachterrasse aufgerissen und den Tierhaufen in diese Richtung geschoben.

"Warum nur?" quieke ich flehentlich. "Diese, unsere Mitbewohner fressen kein Brot und so viel Platz nehmen sie auch nicht weg. Lass' sie leben! Freiheit für die Kuscheltiere!"

"Aber sie sind eine Bedrohung!"

Das Känguru fliegt nun quer durch das Wohnzimmer, prallt an der Wand ab und bleibt hinter dem Sofa liegen.

"Und teilweise sind sie boshafte und entstellende Parodien!"

Das echte Lama betrachtet das bunte Yokohamalama mit den gestreiften Ohren grimmig und beißt ihm dann vorsichtig in die Plüschnase.

Ich mache einen Hechtsprung nach vorne, in dem ich die Glastür zum Dach schließe, den Schredder und den Bunsenbrenner ausschalte und dem Lama seinen Beutel wegreiße. Nach einer gewagten Seitwärtsrolle schnappe ich mir jedes einzelne Kuscheltier – den mutierten, zweibeinigen Osthund und seinen Adoptivsohn mit Fliege, das Dromedar, den Igel, das schwarze Schaf, den Hund mit dem Plastikhalsband, die Schildkröte, den dicken, orangen Kater, die Kuh, den Eisbären, den Dreißig-Teddy und zuletzt das Köpenicker Känguru und das Yokohamalama – und stopfe jedes vorsichtig in den großen Beutel. Auf dem Weg nach draußen drehe ich mich noch einmal um.

"Etwas Besseres als den Tod finden wir überall!" brülle ich ins Penthouse zurück. "Wir sehen uns in Bremen!"