Wir schreiben das Jahr Null Neun. Oder doch schon das Jahr Zehn? Oder eher Zwanzig Null Neun oder Zwanzig Zehn? Warum schreiben wir nicht das Jahr Zwanzighundertundneun oder Zwanzighundertundzehn? Ist schon wieder ein ganzes Jahrzehnt des neuen Jahrtausends vorüber? Aber schreibt überhaupt jemand das Jahr in diesen Tagen? Hey, wir befinden uns zwischen den Jahren! Niemand muss ein Datum aufschreiben zu dieser Zeit.
OK, was tut man also zwischen den Jahren? Man resümiert das vergangene Jahr und macht Pläne und Voraussagungen für das nächste. OK, dann wollen wir mal anfangen:
Was bisher geschah? Von Zeit zu Zeit sollte man einen Blog eben doch zusammenfassen – Danke, Herr Regener, der Sie die Hauptfigur Ihrer Romane, Frank nennen:
Bromford Bibble, der sich selbst manchmal, aber jetzt nicht mehr, und den fremde Zungen, man weiß nicht ob es böse Zungen sind oder eher nicht, Frank nennt oder nennen, ist umgezogen in eine fremde Stadt am Meer, die seltsamerweise auch Bromford heißt. Er wohnt in einer Dachgeschoß- oder Penthouse-Wohnung im höchsten Gebäude der Hafenstadt an einer Flussmündung und Meeresbucht und hat eine Dachterrasse oder einen Balkon mit einer Art pflanzlichen Laube, gebildet von einem weinartigen Gewächs, das sich offensichtlich vom Erdboden bis hinauf zum Dach am Haus empor rankt, und mindestens zwei Becken mit Goldfischen oder am Ende gar exotischen Koi-Karpfen, die aber auch nur große, japanische Goldfische sind, wenn Sie mich fragen. Das Wohnhaus mit scheinbar mehreren Apartments ist übrigens erst seit dem Einsturz der Bromford Kathedrale das höchste Gebäude, aber so sicher wissen wir das nicht, weil nicht einmal klar zu sein scheint, dass die Kathedrale überhaupt eingestürzt ist, vom Grund der Zertrümmerung ganz zu schweigen. War es ein Terroranschlag? Ein Flugzeugabsturz? Ein Bergwerkeinsturz? Vielleicht werden wir es nie erfahren.
Und? Hat Bromford Bibble schon viele neue Bekanntschaften geschlossen in der Zeit, die er nun schon in der neuen Stadt lebt? Konnte sich dieser nebensächliche, aber leider auch unumgängliche Effekt eines Umzugs bereits einstellen? Nein, ich denke nicht, denn von Zeit zu Zeit bezweifelt er sogar, dass überhaupt noch andere Menschen außer ihm selbst in Bromford leben. Doch, wenn ich diesen Blog richtig lese, dann erwähnt er zumindest vier andere menschliche Wesen in seiner Umgebung, die auf die ein oder andere Weise auf ihre Existenz aufmerksam machen. Da wären Roswitha Mauer, die vor zwanzig Jahren an einem neunten November aus bislang unbekannten Gründen gefallen ist, und seine Nachbarin, eine Exilantin aus Dresden in Deutschland, die bei ihm im Haus wohnt. Dann sind da noch der Klavier- und der Posaunenspieler, die sich gern bei offenen Fenstern wahre musikalische Übungsschlachten liefern. Oder spielen die beiden älteren Damen etwa diese Instrumente? Oder ist Roswitha Mauer eventuell die Nachbarin aus der Wohnung unter Bromford Bibble, die vor dem Krieg in Dresden gelebt hat? Und wer klopft an die Decke, die den Fußboden der Penthouse-Wohnung bildet, wenn es mal wieder zu laut ist? Vielleicht ist Bromford doch keine Geisterstadt, wie Bromford befürchtet.
Ist das wirklich alles, was bisher geschah? Scheint so. Doch vielleicht muss man zwischen den Zeilen lesen. Oder zwischen den Jahren? In dieser Zeit zwischen Weihnachten und Silvester und dem neuen Jahr haben viele Menschen Zeit und Ruhe, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und Pläne und Vorsätze für das kommende zu schmieden. Aber haben wirklich so viele Menschen Zeit und Ruhe? Viele Berufsgruppen müssen doch auch arbeiten: Krankenschwestern und Klinikärzte, Taxifahrer und Dienstleister aller Art, vor allem Verkäufer und Verkäuferinnen, denn gerade zwischen den Jahren beginnt doch der Weihnachtsgeschenke-Umtausch-Marathon. Ob Bromford Bibble in einer dieser Branchen tätig ist, werden wir vielleicht nie erfahren.
Und wie kann man den Blog sonst noch zusammenfassen? Der Dezember hat die meisten Einträge gesehen. Und am meisten wurde am Sonntag geblogt. Und ich, Bromford Bibble, der ich mich nun vielleicht nie mehr Frank nennen werde, sitze irgendwie … dazwischen.
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